Nach dem größten Comeback aller Zeiten – diesmal sogar mit der Mehrheit im US-Kongress – kann er jetzt nach Lust und Laune durchregieren.
Was bedeutet das für uns? In der Politik wird sich nicht viel ändern, denn Trump nimmt Österreich nur als Land neben der slowenischen Heimat seiner Gattin wahr. In der Wirtschaft kann uns Trump aber sehr teuer kommen. Es geht um seinen Plan, Importzölle zwischen zehn und zwanzig Prozent auf alle Güter einzuführen. Gerade der Handel mit den USA hat in den letzten Jahren enorm zugelegt. Die USA sind heute Österreichs Exportland Nummer zwei hinter Deutschland.
Österreich durchlebt zurzeit eine schwierige Wirtschaftslage und eine Krise der Staatsfinanzen. US-Zölle könnten uns sehr wehtun. Hingegen soll ausländischen Firmen, die in den USA investieren und dort produzieren, der rote Teppich ausgelegt werden. Aus Deutschland übersiedeln schon Firmen in die USA. Die Handelsregeln werden von der EU gemacht. Es kommt darauf an, wie Brüssel auf die US-Zölle reagiert.
„Dealmaker Trump“
Trump hält sich für den größten „Dealmaker“ der Welt und er wird, wie es seine Art ist, der EU einen Deal anbieten. Wird die EU die Bedingungen akzeptieren oder mit Zöllen zurückschlagen? Dann droht ein Handelskrieg. Trumps Leidenschaft zum „Dealen“ wird auch bei einem anderen heißen Eisen eine wesentliche Rolle spielen:
Welches Schicksal droht der Ukraine? Das wird ein Deal zwischen Trump und Putin entscheiden.
Wenn die laufenden militärischen und finanziellen Hilfsprogramme enden, wird es keine neuen geben. Europa allein kann die zusätzliche Last nicht schultern. Einen Tag nach dem Amtsantritt am 20. Jänner will der neue US-Präsident nach eigenen Worten den Krieg beenden.
Darüber kann man im Kreml nur lachen. Trump hat keine emotionellen Bindungen zur Ukraine. Er findet die Angelegenheit eher als lästig. Er wird Putin territoriale Gewinne zugestehen. Ein NATO-Beitritt der Ukraine ist weg vom Tisch, denn die NATO muss unter Trump selbst um ihre Existenz fürchten. Wenn Putin aber glaubt, er könne mit Trump Schlitten fahren, dann würde er die andere Seite des „Dealmakers“ kennenlernen: die des Rächers. Und so könnte die Ukraine erst recht zur Kampfarena zwischen zwei Alpha-Männern werden.
Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Gefahr
Muss man um Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den USA fürchten? Trump hat sich seit seiner ersten Amtszeit weiter radikalisiert. Er hat gedroht, ein Diktator zu sein, „aber nur am ersten Tag“. Die Bewahrung der Freiheit hängt auch von der breiten Koalition ab, die ihn gewählt hat.
Trump hat gedroht, missliebigen Medien die Lizenzen zu entziehen. Er will auch die etwa tausend verurteilten Straftäter des Sturms auf das Kapitol begnadigen. Hingegen will er gegen Demonstranten nötigenfalls die Armee einsetzen. Das aber wäre verfassungswidrig, und die Armeegeneräle haben einen Eid auf die Verfassung, nicht auf den Präsidenten geschworen.
Präsident Trump wird die roten Linien der Verfassung ausreizen. In seiner ersten Amtszeit hatten ihn noch Gerichte gebremst. Jetzt muss er sich weniger Sorgen machen, denn drei oberste Richter hatte er damals noch selbst eingesetzt.
Die US-Verfassung kann man nicht so leicht kippen. So wie man allgemein beklagt, dass sie nicht reformierbar ist, so ist sie auch nicht „umzubringen“.
Die Freiheit der Amerikaner ist nicht Washington, sondern in den 50 Bundesstaaten aufgehoben. Sie sind eigene Machtzentren verschiedenster Traditionen. An ihnen könnte sich ein Diktator in Washington die Zähne ausbeißen. Sorgen muss man sich um die Demokratische Partei machen. Sie hat den Wandel der Gesellschaft verschlafen. Dieser politische Hort des sozialen Liberalismus hat die Bodenhaftung verloren – und auch sein altes Rückgrat: die Arbeiterklasse. Sie fühlt sich vernachlässigt und sucht ihre Jobsicherheit und Aufstiegschance nun bei den Republikanern.
Der Millionär Trump ist heute der Führer der Arbeiterpartei und spielt Anwalt der kleinen Leute. Das betrifft auch die Minderheiten – Afroamerikaner und besonders Latinos –, die an Bedeutung gewonnen und sich eine bürgerliche Existenz aufgebaut haben.
Zurück zu Österreich: Auch hier ist die Arbeiterschaft der Traditionspartei abhandengekommen. Das Phänomen Trump sollte in jeder seiner Facetten auch der heimischen Politik eine Lehre sein.
Todesstoß für den Klimaschutz
Die USA sehen sich stolz als älteste Demokratie der Welt. Die Entwicklung von Klugheit hat damit aber nicht unbedingt Schritt gehalten. Das größte Opfer von Trumps Präsidentschaft wird der Klimaschutz sein.
Diese Haltung hat mehr Auswirkung auf die Welt als jede andere Maßnahme Trumps, zumal sie von den aufstrebenden Industriestaaten in Asien wie Indien und China als willkommenes Signal aufgefasst wird, eigene Anstrengungen fallen zu lassen. Indonesien abseits der Aufmerksamkeit der Welt schon mehr Tropenwälder abgeholzt als am Amazonas.
Trumps Sicht auf die Wirtschaft ist ein Rückschritt in die Industriepolitik der Fünfzigerjahre: rauchende Schlote schaffen Jobs und Dividenden. Er war schon während seiner ersten Präsidentschaft aus dem internationalen Pariser Klimaabkommen ausgetreten. In der Zwischenzeit hat er sich weiter radikalisiert. Den Zusammenhang von Mega-Unwettern und Erderwärmung leugnet er so hartnäckig wie alle anderen Rückwärtsgewandten. Bei einem extremen Kälteeinbruch in New York gab er einmal den Rat: „Zieht euch warm an. Das ist die Erderwärmung.“ Sie ist es tatsächlich, da in den Extremwetterlagen langanhaltende Hitzeperioden von ebenso heftigen Kälteeinbrüchen abgelöst werden können.
Naturausbeutung stellt für Trump kein Problem dar, weil er Einschränkungen und Hindernisse abschaffen will. Trump fordert die Öl- und Gasindustrie auf: „Drill, baby, drill.“ Neue Energiequellen sollen erschlossen werden, um den erwartenden Mehrbedarf durch KI (Künstliche Intelligenz) abdecken zu können. Nach neuen Erdöl- und Erdgasquellen soll dort gebohrt werden, wo diese zu finden sind und sei es das Naturschutzgebiet „Arctic National Wildlife Refuge“. Für Problembohrungen sollen auf Bundesterritorium Genehmigungen erteilt und der Bau von Pipelines gefördert werden. Windparks hingegen sind eine Quelle des Spotts, E-Mobilität ist etwas für Weicheier und eine Waffe der Chinesen, das Röhren von Verbrennermotoren Musik in den Ohren, Atomkraft ist in. Elon Musk wird alles richten. Die Börsen danken.
In der zweiten Präsidentschaft Trump gibt es keine politischen Blockaden mehr, die ihn hindern könnten, seine Ideologie eins zu eins umzusetzen. Die Welt kann dabei nichts ändern, zumal Menschen seines Typs, ein Vokabel völlig unbekannt ist: nämlich Solidarität.
„America first“ birgt sogar die Spaltung innerhalb Europas in sich. Ungarns Orbán ist einer der wenigen Europäer, denen Trump vertraut. Er nennt ihn öffentlich als seinen engsten Verbündeten.
Orbán richtete gestern als derzeitiger EU-Ratsvorsitzender – (keine Ironie) – den EU-Gipfel aus. Der Ungar ist jetzt der große Triumphator und wird künftig als Trumps europäischer „Statthalter“ das große Wort führen. Er twitterte nach dem Gratulationstelefonat mit Trump: „Wir haben große Pläne für die Zukunft.“ Orbán warf kürzlich der EU vor, in Budapest eine „Marionettenregierung“ installieren zu wollen. Er will sich wehren und mit Gleichgesinnten Brüssel – wörtlich – „erobern“.
Vor solchen Spaltungstendenzen ist auch die NATO nicht gefeit. Trump hat bereits in seiner ersten Präsidentschaft „Krieg“ mit der NATO geführt. Auch danach drohte er Mitgliedsstaaten, „die nicht zahlen“, sie auch nicht zu beschützen: Russland könne dann mit ihnen machen, was es wolle. Abgesehen davon, dass es keine Kassa in der NATO gibt und auch kein Budget, sondern Selbstverpflichtungen der Mitglieder, erinnert Trumps Sager an Schutzgelderpressungen der New Yorker Mafia. Solidarität zu gegenseitigen Schutzverpflichtungen im Rahmen der NATO sieht anders aus.
Viele Amerikaner nehmen, wie das Wahlergebnis zeigt, Trumps verbale Rundumschläge nicht ernst. Er sei eben ein Übertreibungskünstler, sagen die Wohlwollenden. Tatsächlich gehört Marktschreiertum zur amerikanischen Folklore. Das Codewort zu Trumps Tiraden wird „Snakeoil“ (Schlangenöl) genannt, welches auf Jahrmärkten im Wilden Westen lautstark als Heilmittel angepriesen worden war. Richtige Popularität erlangte Trump erst über das Fernsehen mit seiner Reality-Show „The Apprentice“ (Lehrling). Dort wurde bei dargestellten Vorstellungsgesprächen um einen Job bei ihm sein Schrei „You are fired“ (Du bist gefeuert!) zu einem geflügelten Wort.
Staatsstreich in Zeitlupe?
Trump-Kritiker reden von einem Staatsstreich in Zeitlupe. Dieser Macho-Slang von Trump imponiert besonders Männern in den aufstrebenden ethnischen Minderheiten wie den Latinos, welche massiv zu seinem Sieg beigetragen haben. Wie Wähleranalysen zeigen, können sie sich eine Frau als Staatsoberhaupt und besonders Oberbefehlshaberin der Armee (noch) nicht vorstellen.
Trump werden auch seine laufenden Strafverfahren und rechtskräftigen Urteile als „politische Verfolgung“ verziehen. Mit Amtsantritt werden sie allerdings wegen Amtsimmunität ruhend gestellt. Gefängnis droht Trump frühestens in vier Jahren. Kritiker befürchten, dass dies überhaupt die letzten regulären Präsidentschaftswahlen gewesen sein könnten. Sie unterstellen ihm einen „Staatsstreich in Zeitlupe“.
Erstveröffentlichung Kronen Zeitung
Autor: Kurt Seinitz