Ronald-Peter Stöferle: Das spricht für einen weiteren Goldpreisanstieg

Trotz des Allzeithochs dürfte sich der Goldpreis noch nicht in Regionen der extremen Überbewertung befinden.
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Roland-Peter Stöferle: Das spricht für einen weiteren Goldpreisanstieg
Roland-Peter Stöferle, Managing Partner der Incrementum AG.

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+33,1%, +36,0 % – das ist die beeindruckende Performance von Gold seit Jahresbeginn in US-Dollar bzw. Euro per 22. Oktober. Angesichts dieser Zahlen drängt sich automatisch die Frage auf, ob der Goldpreis seinen Plafonds erreicht hat oder ob sich dieser gar, wie Anfang der 1980er-Jahre, in einer Blase befindet und eine erhebliche Korrektur droht – von einer drastischen Überbewertung des Goldpreises kann jedoch noch nicht ausgegangen werden.

Inflationsbereinigt ist Gold noch nicht am Allzeithoch

Seit Dezember 2023, in US-Dollar, und seit Oktober 2023, in Euro, jagt beim Goldpreis ein Allzeithoch das nächste. Inflationsbereinigt hat der Goldpreis per Monatsende trotz des aktuellen Höhenflugs gerade einmal seine Rekordmarke aus dem Jänner 1980 von 2.646 USD um rund 100 USD übertroffen.

Positiv ist zudem zu werten, dass der seit dem Jahr 2000 andauernde Goldpreisanstieg deutlich gemäßigter verlief als der zweite Teil der Goldhausse (längere Phase mit steigenden Kursen – Anm. d. Red.) in den 1970er-Jahren.

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© Nick Laird, Reuters Eikon, Incrementum AG

Zinswende zu niedrigeren Zinsen beflügelt den Goldpreis

Am Mittwoch, den 18. September, war es so weit. Inmitten heftiger Spekulationen um einen großen Zinsschritt senkte die Federal Reserve zum ersten Mal seit Ende Juli 2019 wieder die Zinsen, und schlussendlich doch überraschend gleich um 0,50 Prozentpunkte. Die mit diesem Paukenschlag angebrochene Phase fallender Zinsen sollte den Goldpreis jedenfalls beflügeln. Jedenfalls war dies bislang in jeder der drei Zinssenkungsphase seit der Jahrtausendwende der Fall.

Zu Beginn der 2000er-Jahre legte der Goldpreis während des Zinssenkungszyklus nach dem Platzen der Dot.com-Blase von 270 USD auf rund 420 USD, oder um fast 60%, zu. In den Jahren der Zinssenkungen infolge der Rezession nach der Weltfinanzkrise 2007/2008 stieg der Goldpreis von rund 660 USD auf rund 1.600 USD, was einen Anstieg um mehr als 140 Prozent bedeutete. Während der Zinssenkungsphase 2019/2020 infolge der Abkühlung der US-Wirtschaft und des Handelsstreits zwischen den USA und China sowie der direkt daran anschließenden Corona-Pandemie kletterte Gold um mehr als ein Drittel von 1.400 USD auf rund 1.900 USD. In den ersten 4 Wochen nach der großen Zinssenkung, Mitte September, legte Gold mehr als 7 Prozent auf über 2.750 USD zu.

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© Reuters Eikon, Incrementum AG

Die Zentralbanknachfrage nach Gold bleibt hoch

Während unter den Zentralbanken China sein Aufstockungstempo in Q2/2024 spürbar verlangsamt hat, hat Indien dieses ebenso spürbar beschleunigt. In Q2/2024 erhöhte Indien seine Goldreserven um 18,7 t und nur um einen Hauch weniger als Polen. In Q1/2024 waren es nur unwesentlich weniger gewesen. Damit stockte die Bank of India ihre Goldbestände in nur einem halben Jahr um 4,6% auf. 2024 dürften sich zwar nicht mehr die Rekordzuwächse von 2022 und 2023 wiederholen; die Goldnachfrage der Zentralbanken dürfte aber weiterhin deutlich überdurchschnittlich bleiben.

Die Goldreserven der Zentralbanken sind ein Ausdruck der ökonomischen Bedeutung eines Landes. So hat die polnische Zentralbank NBP mit einem Gesamtbestand von nunmehr 420 Tonnen höhere Goldreserven als Großbritannien.

Auch in Europa verschiebt sich die ökonomische (Macht-)Balance zunehmend von West nach Ost. Polen ist eine der am kräftigsten wachsenden Volkswirtschaften in Europa. Der von Adam Glapinski, Präsident der polnischen Zentralbank NBP, angeführte Grund für die markante Aufstockung der Goldreserven spricht für sich:

„Keiner unserer Handelspartner und Investoren kann an unserer Glaubwürdigkeit und Zahlungsfähigkeit zweifeln, selbst wenn sich um uns herum dramatische Zustände entwickeln.“

Anders ausgedrückt: In Zeiten einer schweren Krise, also dann, wenn es ganz besonders darauf ankommt, ist Gold ein glaubwürdigerer Bürge für die Zahlungsfähigkeit – noch mehr als die führenden Fiat-Währungen US-Dollar und Euro.

Die Nachfrage privater Investoren bzw. professioneller Investoren ist weiterhin sehr gering

Speziell in Nordamerika und in Europa ist die Goldnachfrage unter privaten und professionellen Investoren weiterhin sehr zurückhaltend. Eine Umfrage der Bank of America unter Investmentberatern im Jahr 2023 ergab, dass 71% höchstens 1% ihres Portfolios in Gold veranlagt hatten. Weitere 27% hielten zwischen 1% und 5%. Die signifikante Untergewichtung von Gold zeigt sich auch in der Entwicklung der ETF-Bestände.

Diese Zurückhaltung zeigt sich auch bei den ETF-Beständen. Mit insgesamt 3.200 t befinden sich diese ungefähr auf demselben Niveau wie vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie, aber deutlich unter den Spitzenwerten, während der Pandemie, im Oktober 2020 und im März 2022, unmittelbar im Anschluss an den Ukraine-Krieg, von jeweils knapp 4.000 t. Während die ETF-Nachfrage aus Asien in den vergangenen Quartalen jeden Monat leicht im Plus war, schwächelt jene aus dem Westen weiter. Es besteht in diesem Nachfragesegment also noch sehr viel Luft nach oben, zumal westeuropäische Anleger zu einem prozyklischen Verhalten neigen.

Dies hat allerdings seinen Preis: Da die westlichen (Finanz-)Investoren zunächst die Einladung zur aktuellen Goldparty ausgeschlagen haben, ist der Zutritt zu dieser Party, nun, da sie in Schwung gekommen ist, nur zu deutlich erhöhten „Eintrittspreisen“ möglich.

Die geopolitischen Spannungen bleiben hoch

Seit mehr als zweieinhalb Jahren tobt der Krieg mittlerweile in der Ukraine und auch die Lage im Nahen Osten hat sich Ende September, infolge massiver Angriffe Israels auf den Führungskader der Hisbollah und des Einmarsches von Bodentruppen in den Libanon, verschärft.

Die zunehmend fragile geopolitische Lage bildet sich auch immer deutlicher in den Bilanzen der Zentralbanken ab. Seit 2009 erhöhen die Zentralbanken stetig ihre Goldbestände. In Kombination mit dem stark gestiegenen Goldpreis hat das den Anteil des Edelmetalls an den weltweiten internationalen Reserven immer mehr erhöht. Ende 2023 hat Gold schließlich den Euro überholt und nimmt nun den zweiten Platz unter den Reserveassets der Zentralbanken ein. Unangefochten auf dem ersten Platz liegt weiterhin der US-Dollar, allerdings ist der Anteil des US-Dollar unter den FX-Reserven mittlerweile deutlich unter die Marke von 60% gefallen. 2015 gingen noch zwei Drittel der Währungsreserven auf das Konto der Weltleitwährung.

Ein großer Trendbeschleuniger war die Sanktionierung der russischen US-Dollar- und Euro-Währungsreserven unmittelbar im Anschluss an den Einmarsch Russlands in der Ukraine. Erhöhten die Zentralbanken vor dem Ausbruch des Ukraine-Krieges ihre Goldreserven im Schnitt um 118 t im Quartal, hat sich die Zentralbanknachfrage seither auf 279 t mehr als verdoppelt. Der Wunsch der BRICS-Staaten unabhängiger vom westlichen Finanzsystem zu werden, sollte sich weiterhin positiv auf die Goldnachfrage durch die Zentralbanken auswirken.

Roland-Peter Stöferle: Das spricht für einen weiteren Goldpreisanstieg
© World Gold Council, Incrementum AG

Fazit

Der „Fear and Greed Index“ für Gold liegt mit einem Wert von 92, per 22. Oktober, bereits im Bereich „Extreme Greed“. Eine spürbare Korrektur ist angesichts der enormen Preisrally in den vergangenen 12 Monaten daher nicht ausgeschlossen. Allerdings sprechen zahlreiche fundamentalen Gründe dafür, dass sich Gold selbst nach einem Rückschlag langfristig weiter nach oben bewegen dürfte. Vor diesem Hintergrund ist selbst der im vergangenen Jahr deutlich angestiegene Goldpreis noch immer günstig.

Wie sagte Michael Kosares einst so treffend: „In a bull market, the sideline is the worst place to be!“

Autor: Ronald-Peter Stöferle

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