Kurt Seinitz: Putin zieht Asien in seinen Ukraine-Krieg mit hinein

Ein Krieg im asiatischen Raum würde einen regelrechten Infarkt der Weltwirtschaft auslösen.
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Kurt Seinitz: Putin zieht Asien in seinen Ukraine-Krieg mit hinein
Kurt Seinitz, österreichischer Journalist und Buchautor.

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Chinas Streitkräfte haben kürzlich ein massives Würge-Manöver gegen Taiwan abgehalten und die Insel umzingelt. Das strategische Ziel ist, Taiwan notfalls mit Gewalt „mit dem Mutterland zu vereinen”. Militärexperten sprechen von einer sogenannten „Anakonda”-Strategie: Würgen, bis die Luft ausgeht, und dann zuschnappen. Doch Taiwan würde aus allen Rohren schießen, und die Insel hat ein Verteidigungsabkommen mit den USA – zumindest bis zu Trump. Dieser lässt die Verteidigung offen, wenn Taiwan nicht bereit ist zu zahlen. Jedenfalls rückt ein asiatischer „Ukraine”-Krieg immer näher. Die Straße von Taiwan ist eine Schlagader des Welthandels. Staatschef Xi Jinping will die Vereinigung noch zu Lebzeiten verwirklichen.

Die Insel (zweimal Niederösterreich mit 24 Millionen Einwohnern) ist im Vergleich zu China zwar ein Zwerg, aber eine Hightech-Großmacht. Taiwan hat eine bewegte Geschichte. Die Insel war zwar immer ein Teil Chinas, aber nie ein Teil der kommunistischen Volksrepublik China. Auf historischen Stätten sind die kaiserlichen Gesetze in große Steintafeln eingemeißelt, die traditionell auf Reispapier abgerieben und so verbreitet wurden. Später kamen die Niederländer und hinterließen Spuren. Sie wurden von einem chinesischen Machthaber hinausgeworfen. 1895 wurde die Insel in einem Diktatfrieden gegen China von Japan annektiert.

Im Gipfeltreffen der Alliierten 1943 in Kairo sicherten Roosevelt und Churchill Chinas Präsidenten Chiang Kai-shek die Rückgabe an China zu. 1945 brach dann der Bürgerkrieg aus, den Mao 1949 gewann. Chiang Kai-shek zog sich mit dem Rest seiner Truppen nach Taiwan zurück, welches damals für Mao unerreichbar war. Nun gab es zwei Chinas: die Volksrepublik China (Peking) und die Republik China (Taipeh). Heute will Chinas Führung Taiwan nicht mehr länger als „unsinkbaren US-Flugzeugträger” vor seiner „Haustür” dulden.

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© PantherMedia / Boris Zerwann

So wie die Ukraine würde sich Taiwan bestimmt nicht freiwillig fügen. Die Taiwanesen sind zwar in kultureller Hinsicht, wie ihre Brüder und Schwestern auf dem Festland, Chinesen, aber heute schöpft die „Republik China auf Taiwan” ihre Identität aus ihrer demokratischen Alternative zum kommunistischen System in Peking – und das macht sie zum Systemrivalen der KP-Führer. Spätestens seit der Teilaussetzung der Autonomie von Hongkong weiß jeder auf Taiwan, was von dem Angebot einer „friedlichen Wiedervereinigung” (mit Vollautonomie) zu halten ist.

Welche Schlüsse zieht man aber in Peking aus dem Widerstand der Ukrainer gegen die russische Invasion? Peking läuft die Zeit davon. Die Insel ist heute ein eigener De-facto-Staat, aber ohne diplomatische Beziehungen zur Weltgemeinschaft (außer mit dem Vatikan). Die Welt folgt Pekings Alleinvertretungsanspruch. Taiwan ist auch Zufluchtsort chinesischer Regimegegner geworden. Die Insel hat, so wie Singapur und die meisten auslandschinesischen Gemeinden, Maos Schriftzeichenreform (eine Vereinfachung) nicht mitgemacht, und Mandarin schwindet als der offizielle Dialekt der chinesischen Sprache.

Chinas Staatschef Xi Jinping stellt kommunistische Ideologie über Wirtschaftspragmatik. Er riskiert eine Verschärfung der aktuellen Wirtschaftsprobleme Chinas. Taiwan ist als Hightech-Großmacht ein wichtiger Wirtschaftspartner Chinas. 60.000 taiwanesische Firmen auf dem Festland bieten etwa neun Millionen Chinesen Jobs, darunter der Apple-Hersteller Foxconn. Der Konzerngigant TSMC (Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, 34 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz) hält ein Quasi-Weltmonopol bei der allerletzten Generation von Super-Halbleitern, ohne die eine moderne Welt nicht mehr auskommt. 63 Prozent aller Chips weltweit kommen aus Taiwan. Sie versorgen 90 Prozent der US-Industrie. Und natürlich hängen auch Chinas Hightech-Ambitionen von Chips aus Taiwan ab. Scherzt ein Regierungsbeamter in Taipeh: „Unser Verteidigungsschild besteht aus Silikon.”

Die Regierungen der rohstoffarmen Insel hatten frühzeitig erkannt, dass sie nur auf Basis von „Gehirnschmalz” ein Staatsgebilde von Rang aufbauen können und dass „Microchips das Öl des 21. Jahrhunderts” sind. So bleibt Taiwan im Schwebezustand, denn eine Unabhängigkeitserklärung der „abtrünnigen Provinz” wäre der ultimative Kriegsgrund. Peking lässt keinen Zweifel daran.

Nordkoreas Eingreifen alarmiert die NATO

Die Überraschung war gelungen, die NATO ist in heller Aufregung: Welche Rolle spielt China bei dem militärischen Eingreifen an der Seite Russlands, nicht nur mit Waffen, sondern jetzt auch mit Soldaten? China ist der Pate Nordkoreas. Bei den Soldaten handelt es sich um Spezialisten, die Kampfdrohnen bedienen können. Sie stecken in russischen Uniformen und sind mit Ausweispapieren sibirisch-russischer Minderheitenvölker versehen. Ähnlich handelte Putin 2014 bei der Besetzung der ukrainischen Krim.

Wenn nicht nur Waffen und Material eines Drittstaates an einer Front auftauchen, sondern auch Soldaten, handelt es sich völkerrechtlich um einen Kriegseintritt. Wird die NATO nun ebenfalls mit Soldaten in den Krieg eingreifen?

Erstveröffentlichung Kronen Zeitung

Autor: Kurt Seinitz

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