Förderung zeitgenössischer Kunst mit 500-jähriger Tradition
Die Tradition des Kunstsammelns durch Unternehmen/Unternehmer hat ihre Wurzeln in der italienischen Renaissance, als Kaufleute, wie zum Beispiel die Medici, Künstler förderten und kulturelle Innovationen anstießen.
Im 20. Jahrhundert etablierten Unternehmen in den USA das Corporate Collecting mit zeitgenössischer Kunst und stärkten damit ihre Identität – IBM setzte etwa 1939 mit seiner Kunstsammlung Maßstäbe. In Europa wuchs das Interesse ab den 1980er Jahren als Familienunternehmen, wie die Würth-Gruppe und Ritter Sport, Kunst zur Imagebildung nutzten. Ritter Sport zeigt in seinem quadratischen Museum 800 Kunstwerke zum Thema Quadrat und verbindet Kunst originell mit ihrem Markenkern.
Mehr als nur Sammeln – „beyond collecting“
Der Begriff Corporate Collecting wird dem Thema aber nur bedingt gerecht, geht es hier doch weniger um das Sammeln als den Grund für das Sammeln. Mein persönlicher Zugang ist ein noch breiterer:
Das Sammeln lässt sich auch ganz herausnehmen. Damit bleibt die Frage: Wofür Kunst im Unternehmen und im Familienunternehmen?
Die Antworten sind vielfältig wie die Motive – und je länger ich mich auch persönlich mit dem Thema beschäftige, umso mehr wird klar: es geht im Kern immer um eine ganz individuelle Motivation, die so einzigartig ist wie das Unternehmen.
Damals wie heute gab und gibt es Mäzene unter den Familienunternehmern, die ihre persönliche Kunstbegeisterung und ihre finanziellen Möglichkeiten wohltätig zur Unterstützung zeitgenössischer Kunst einsetzen. Die Grenze zum Sponsoring bzw. die Grenze zwischen selbstloser Unterstützung und erhofftem unternehmerischen Benefit aus der Unterstützung ist fließend. Ganz sicher erfüllt Kunst im Sponsoring und Marketing eine mehrfache Funktion: in der Markenführung und Marken-Entwicklung, im Stakeholder-Management, der Kundengewinnung und -betreuung und als praktische Möglichkeit, regionale, kulturelle und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Ob Corporate Collecting, als langfriste Wertanlage im Unternehmen, funktionieren kann, ist bereits eine kontroversielle Frage. Eine klare Ausrichtung der Sammlung unter fachkundiger Beratung, sorgfältige Werkauswahl und intensive Marktbeobachtung sind Voraussetzung, aber nicht Garant einer mittelfristigen Wertsteigerung. Gleichzeitig bleibt gerade für den Familienunternehmer immer die Abwägung zwischen Investition und Ausbau des operativen Geschäfts vs. Veranlagung, zumal in einer selbst für Experten herausfordernden Asset-Klasse.
Selbst wenn Marketing und Sammlungstätigkeit gut und professionell gemacht sind, die Auseinandersetzung mit Kunst aber auf dieser Ebene bleibt. Allerdings kratzt man damit dennoch nur an der Oberfläche, wie Kunst den Unternehmensalltag beleben kann.
Lebensqualität und die Demokratisierung der Kunst
Was mich vielmehr antreibt ist die Frage: Wie kann mit zeitgenössischer Kunst Lebensqualität dort geschaffen werden, wo Menschen miteinander arbeiten?
Dazu sind nach meiner Erfahrung drei Aspekte wichtig und einer völlig unbedeutend:
- Jenseits aller dekorativen Aspekte und ästhetischen Mehrwerte verstärken die im Unternehmen ausgestellten Kunstwerke gezielt die Unternehmenskultur und bringen Purpose, Werte und Identität des Unternehmens zum Ausdruck. Kunst wird damit zum kraftvollen Kommunikationsmittel.
- Kunst inspiriert und fordert heraus, auch dann, wenn man ihr täglich begegnet. Trifft sie dabei wie beschrieben den Unternehmenskern, lässt sich damit eine inspirierende und aktivierende Arbeitsumgebung schaffen, die intern wie extern Impulse sendet und den eigenen Anspruch zum Ausdruck bringt. Dieser Einsatz von Kunst liegt, meiner Meinung nach, Familienunternehmer:innen besonders: Sie sind in der Auswahl der Kunst, in der Klarheit ihres Anspruchs und in ihrem aus der Familiengeschichte entwickelten Purpose selbstbestimmter als Manager:innen innerhalb der Vorgaben internationaler Konzerne.
- Vielfach greift junge und zeitgenössische Kunst Impulse aus der Populär- und Alltagskultur auf, dekontextualisiert diese und setzt sie in ganz neuem Kontext wieder zusammen oder überrascht auf ganz andere Art – einfach out of the box. Sinnbildlich (und sinnlich wahrnehmbar) kann das auch hierfür stehen, wie wir im Unternehmen zusammenarbeiten wollen: kreativ, bunt und manchmal auch ein wenig schräg (out of the box) wie die Kunst im Büro, oder bieder mit der lustlosen Ausstrahlung einer schmucklosen weißgrauen Wand.
- Völlig überschätzt und sogar irrelevant ist dabei, wer die Kunstwerke besitzt und wieviel Kunst-Expertise im Unternehmen vorhanden ist. Ich spreche hier gerne von einer Demokratisierung der Kunst – also Kunst aus einer „elitären (oder zumindest so empfundenen) Blase“ heraus dorthin zu bringen, wo Menschen täglich sind. Aus diesem Antrieb, Kunst zu demokratisieren, sie in und auf Immobilien zu bringen, haben wir ein eigenes Portfolio entwickelt, das es Unternehmen möglich macht, Kunst günstig zu mieten. Unter fachkundiger Beratung wird aus einem breiten Fundus streng kuratierter Kunst genau das ausgewählt, was zum eigenen Unternehmen, seiner Identität und seinen Zielen passt – egal ob junge Kunst oder Werke international arrivierter Künstler wie Warhol & Co.
Im eigenen Unternehmen habe ich vielfach die Erfahrung gemacht, wie über Kunst Identifizierung und Verbindung zur Arbeit aufgebaut werden kann. Das zeigt sich etwa dann, wenn Büros nach Kunstwerken benannt werden oder Teams nach Umzügen leidenschaftlich darüber diskutieren, welche Bilder in welchen Büros am besten zur Geltung kommen.
„Nice to have“ – oder doch mehr?
Internationaler Wettbewerbsdruck, Arbeitnehmer-Verfügbarkeit, KI- und technologische Umbrüche in ganzen Branchen sowie multiple Krisen fordern uns als Unternehmer:innen täglich, oft bis an unsere Grenzen. Da wirkt Kunst im Unternehmen als „nice to have“ Gesprächsthema für einen lauen Sommerabend mit einem Cocktail in der Hand.
Die Karte wendet sich, wird Kunst abseits von persönlicher Leidenschaft, ROI-optimiertem Marketing-Kanal und ästhetischem Aufputz als „Corporate Voice“ eingesetzt, die den Markenkern und den Purpose des Unternehmens erlebbar zum Ausdruck bringt.
Bewerber:innen fragen ohnedies nach dem Sinn, für ein Unternehmen zu arbeiten. Je mehr aber das „Unique Product Feature“ als USP ausgedient hat, macht auch beim Kunden eine Kombination aus Eigenschaften den entscheidenden Unterschied: richtige Qualität, richtiger Preis, richtiger Zeitpunkt, starke Marke und Partner. Letzteres braucht Unverkennbarkeit und klare Ausdrucksform. Kunst kann ein Teil davon sein. Und Freude macht sie auch!
Autor: Ursula Simacek