Viele Menschen möchten weniger fliegen, Urlaub im eigenen Land machen oder mit der Bahn statt dem Auto verreisen. Der Trend zu nachhaltigerem Tourismus hat dabei weitreichende Folgen für Politik, Wirtschaft und einzelne Sektoren.
Denn Regierungen weltweit entwickeln strengere Emissionsvorschriften und entsprechende Steuerpolitik, um umweltfreundliche Praktiken zu fördern. Internationale Plattformen wie die UN-Klimakonferenzen verstärken zudem den Druck auf die Politik, nachhaltige Entwicklungsziele zu verfolgen. Der Ökotourismus bietet hier erhebliches Wachstumspotenzial – insbesondere durch den Ausbau nachhaltiger Reiseinfrastrukturen und -dienstleistungen. Zudem stehen Unternehmen im Tourismussektor unter Druck, ihre Umweltbelastung zu reduzieren und in nachhaltige Technologien zu investieren.
Marktpotenzial des nachhaltigen Tourismus
Laut diesjährigem ÖAMTC Reisemonitoring, bei dem 1.000 Personen, repräsentativ für die österreichische Bevölkerung, zu ihrer Urlaubsplanung befragt wurden, möchte jeder Zweite (auch) innerhalb Österreichs verreisen. Kärnten und die Steiermark stehen dabei besonders hoch im Kurs. Zum einen müssen immer mehr Menschen sparen – 62 Prozent aller vom ÖAMTC Befragten gaben das an – und zum anderen gibt es ein gesteigertes Bewusstsein für Umweltschutz und Natur am Urlaubsort in der Bevölkerung.
„Der Wandel hin zu nachhaltigerem Tourismus hat das Potenzial, verschiedene Märkte auf politischer, wirtschaftlicher und sektoraler Ebene zu beeinflussen. Daher können Anleger auf unterschiedlichsten Wegen von dem Trend profitieren“, erklärt Hans Selleslagh, Österreich-Sprecher bei Freedom24.
Trotz der steigenden Nachfrage nach nachhaltigem Reisen klafft noch eine Lücke zwischen den Absichten der Konsumenten und ihrem tatsächlichen Verhalten. Diese Diskrepanz bietet Chancen für wirtschaftliches Wachstum durch die Entwicklung umweltbewusster Reiseinfrastrukturen und -dienstleistungen.
„Im Tourismussektor, der etwa elf Prozent der globalen Emissionen ausmacht, ist der Druck zur Reduktion der Umweltbelastung groß. Viele Unternehmen, darunter Fluggesellschaften, setzen zunehmend auf Nachhaltigkeit als zentrales Geschäftsziel“, so Hans Selleslagh.
Um einem zukunftsfähigen Tourismus gerecht zu werden, müssen Reiseunternehmen in grüne Technologien investieren, Kohlenstoffausgleichsprogramme fördern und eng mit Interessensgruppen zusammenarbeiten, um einen umfassenden Wandel zu bewirken. Der Übergang zu nachhaltigem Tourismus erfordert ein koordiniertes Engagement von Politik, Wirtschaft aber eben auch den Verbrauchern.
Sektorenprofiteure in Österreich
In Österreich profitieren unterschiedlichste Sektoren von der aktuellen Entwicklung. So erleben Bahnreisen einen Aufschwung. 2022 unternahmen die Österreicherinnen und Österreicher laut Statistik Austria über 25 Millionen Urlaubs- und Geschäftsreisen mit der Bahn.
„Die erhöhte Nachfrage nach Bahndienstleistungen wird wahrscheinlich Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur und -technologie stimulieren“, konstatiert Hans Selleslagh.
Weiterhin gewinnt Camping und Outdoor-Urlaub an Beliebtheit, ebenso wie umweltfreundliche Hotels oder Bio-Bauernhöfe. Dieser lokale Tourismus profitiert von authentischen Erlebnissen mit der Unterstützung von Betrieben, Restaurants oder Reiseveranstaltern aus der Region. Die steigende Akzeptanz von Elektrofahrzeugen im privaten Bereich aber auch bei Busunternehmen wie Flixbus erfordert eine erweiterte Ladeinfrastruktur.
„Für Investoren könnten Unternehmen, die in die Bereitstellung von E-Ladestationen und verwandten Dienstleistungen involviert und gut positioniert sind, um von der steigenden Nachfrage zu profitieren, interessant sein“, meint der Experte.
Dies umfasst Ladenetzbetreiber, Energieunternehmen und Unternehmen, die innovative Lösungen für das Laden zu Hause und in der Öffentlichkeit anbieten.
Steueranreize für nachhaltige Unternehmen
„Die Politik greift manchmal zu drastischen Maßnahmen, um Emissionen zu reduzieren. So hat Frankreich Kurzstreckenflüge verboten, wenn Zugreisen eine Alternative darstellen, und die Niederlande haben die Anzahl der Starts und Landungen am Amsterdamer Flughafen Schiphol begrenzt“, führt Hans Selleslagh aus.
Auch in Österreich wurde zumindest ein Verbot von kurzen Inlandsflügen ab 2030 diskutiert. Da Regierungen zunehmend Maßnahmen gegen den Klimawandel priorisieren, sollten Investoren Strategien in Betracht ziehen, die sie auf Veränderungen in diesem Bereich vorbereiten.
„Umwelt-, Sozial- und Governance, sogenannte ESG-Faktoren werden immer mehr zu einem wichtigen Bestandteil von Investitionsentscheidungen. Vor diesem Hintergrund können auch Unternehmen im Reise- und Tourismussektor priorisiert werden, die starke Umweltverantwortung, soziales Engagement und effektive Managementpraktiken aufweisen“, rät der Österreich-Sprecher bei Freedom24.
Ein Auge sollten Investoren auch auf die Einführung von Umweltsteueranreizen haben. Unternehmen, die in erneuerbare Energien, energieeffiziente Technologien und nachhaltige Verkehrsinfrastruktur investieren, könnten von günstigen Steuerbedingungen profitieren und damit attraktiver werden.
Transformation der Luftfahrt
Obwohl viele Menschen die Absicht haben, weniger zu fliegen und nachhaltiger zu reisen, steigt die Zahl der Fluggäste an europäischen Flughäfen derzeit wieder. Die Luftfahrtindustrie steht also vor der Herausforderung, die wachsende Nachfrage nach Flugreisen zu befriedigen und gleichzeitig die Kohlenstoffemissionen zu reduzieren. Einer der vielversprechendsten Bereiche zur Reduzierung von Flugemissionen sei, laut dem Experten, die Einführung von nachhaltigem Flugkraftstoff (SAF), der aus erneuerbaren Quellen wie Pflanzen oder tierischen Materialien gewonnen wird.
„SAF hat das Potenzial, die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin erheblich zu reduzieren. Allerdings ist die SAF-Produktion trotz des Potenzials derzeit in ihrem Umfang begrenzt und steht vor Herausforderungen, um die Nachfrage der Luftfahrtindustrie zu decken“, erörtert Hans Selleslagh.
Für Investoren könnte es spannend sein, Chancen bei Unternehmen zu erkunden, die in die SAF-Produktion, Forschung und Entwicklung involviert sind, sowie bei solchen, die in die Infrastruktur zur Unterstützung der SAF-Einführung investieren.
Auf der anderen Seite untersucht der Luftfahrtsektor aktiv technologische Fortschritte zur Verbesserung der Kraftstoffeffizienz und zur Reduzierung von Emissionen. Dazu gehört die Entwicklung kraftstoffeffizienterer Flugzeuge, verbesserter Triebwerksdesigns und sogar die Erforschung elektrisch oder wasserstoffbetriebener Flugzeuge. Obwohl sich diese Technologien noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden, bieten sie erhebliches Potenzial zur Reduzierung von Kohlenstoffemissionen in der Luftfahrt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass grüneres Reisen zwar möglicherweise weniger Flüge bedeutet, dies jedoch nicht mit dem Ende des Flugverkehrs gleichzusetzen ist. Stattdessen liegt der Fokus darauf, die notwendigen Flüge so umweltfreundlich wie möglich zu gestalten, und dieser Übergang könnte erhebliche Chancen für Investoren bieten.