Christoph Leitl: EU-Erweiterung – 20 Jahre nach dem „Big Bang“

Großartige Erfolge, aber auch dringende Handlungsnotwendigkeiten sind die Bilanz dieser Erfolgsstory.
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Christoph Leitl: EU-Erweiterung – 20 Jahre nach dem „Big Bang“
Europa-Experte Christoph Leitl

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Was waren die Hoffnungen und Erwartungen, die mit diesem gewaltigen Schritt verbunden waren? Die Hoffnungen lagen in einer Erweiterung des europäischen Hauses und Einbeziehung dieser neuen Mitgliedsländer in eine europäische Wertegemeinschaft samt damit verbundener Stabilisierung der jungen Demokratien.

Die Befürchtungen lagen darin, dass diese neuen Beitrittsländer den damit verbundenen wirtschaftlichen Herausforderungen nicht gewachsen sein könnten und dies daher entsprechende Probleme mit sich bringen würde.

Ökonomische und politische Entwicklungen

Interessant war die tatsächliche Entwicklung gegensätzlich zu diesen Erwartungen.

Ökonomisch schreibt Europa eine Erfolgsstory, die neuen Beitrittsländer wurden auch mit großer Hilfe aus den europäischen Kohäsionsfonds in ihrer Infrastruktur massiv unterstützt. 90 Millionen Konsumenten verstärkten den Binnenmarkt und die Neuen konnten ihren Außenhandel mit dem EU-Beitritt mehr als verdreifachen. Insbesondere für Österreich war diese Erweiterung eine hervorragend genützte Chance: Sowohl für den Güter-, Waren und Dienstleistungsaustausch als auch für Österreich als Top-Investor in den neuen, mit uns historisch vielfältig verbundenen Ländern samt dem damit verbundenen Zugang zur Tradition dieser Länder. Österreicher waren als Investoren sehr beliebt, sie dachten im Gegensatz zu den Amerikanern langfristiger und im Gegensatz zu den Deutschen partnerschaftlicher.

Christoph Leitl EU-Erweiterung – 20 Jahre nach dem „Big Bang“
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Politisch war die Sache aber doch wesentlich heikler als erwartet. Schon sehr bald nahmen die ungarische Fidesz und später die polnische PiS massive Unterstützungen der Europäischen Union gerne an, zugleich entfernte man sich jedoch vom gemeinsamen Wertefundament. Wir Österreicher sollten und könnten hier vermitteln, kochen aber lieber unser eigenes Süppchen und stoßen beispielsweise Rumänien und Bulgarien massiv vor den Kopf. Und mit der Einlegung eines Vetos konnten wir unsere Performance auf europäischer Ebene keinesfalls stärken.

Die Konsequenz daraus: Zu verlangen, dass sich in Zukunft 27 oder mehr Mitgliedsländer einstimmig auf wichtige Fragen einigen, ist Illusion. Daher müssen wir ein qualifiziertes Mehrheitssystem (Mehrheit der Länder und Mehrheit der Stimmen) zum Tragen bringen, müssen damit wieder entscheidungs- und handlungsfähig werden und können damit das nächste Erfolgskapitel der EU-Erweiterung schreiben.

Vor allem gilt: Vor einer weiteren EU-Erweiterung, die von Österreichs Politik befürwortet wird, müssen diese inneren Reformen umgesetzt werden, um das Schiff Europa seetüchtig zu machen. Zu viele Herausforderungen warten auf europäische Mitwirkung, ob dies die globale Klimakrise, die Flüchtlingskrise oder das Finanzspekulationswesen ist. Nur im internationalen Zusammenwirken können diese Probleme gelöst werden, Europa könnte hier ein guter und starker mitwirkender Partner sein.

Autor: Christoph Leitl

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