Das Thema Soziale Nachhaltigkeit spielt eine zunehmend bedeutende Rolle in Österreichs Führungsebenen: Immerhin 29 Prozent der Führungskräfte halten es für sehr, weitere 41 Prozent für eher wichtig. Der Großteil ist somit mit einem Anteil von 70 Prozent der Meinung, dass Soziale Nachhaltigkeit für den weiteren Unternehmenserfolg essenziell ist. Nur fünf Prozent der Führungskräfte halten das Thema Soziale Nachhaltigkeit für nicht wichtig, ein Fünftel weist ihm eine eher geringe Bedeutung zu.
„Nicht nur aufgrund der vielen geplanten gesetzlichen Neuerungen rund um CSRD oder CSDDD rückt Nachhaltigkeit vermehrt in den Fokus, auch Kund:innen hinterfragen immer öfter, wie es um die Nachhaltigkeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette eines Unternehmens geht. Es ist also höchste Zeit, sich als Führungskraft detailliert mit den Anforderungen auseinanderzusetzen und sich dem Thema Sozialer Nachhaltigkeit auch unternehmensstrategisch und organisatorisch zu widmen“, betont Christian Horak, Partner bei EY-Parthenon.
Der ehemalige WIFO-Chef und aktuelle Präsident des österreichischen Fiskalrats Christoph Badelt ergänzt:
„Wir stehen an einem Wendepunkt und müssen uns aus gesamtwirtschaftlicher und auch gesellschaftlicher und politischer Perspektive klar werden, dass soziale Nachhaltigkeit eine notwendige Bedingung für eine wohlstandsgerechte künftige Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ist und daher nicht nur eine freiwillige Übung sein kann, um ethischen Ansprüchen zu genügen.“
Strategie und Organisationsstruktur
Bei erst 18 Prozent der Organisationen ist das Thema Soziale Nachhaltigkeit bereits umfassend in die Organisationsstrategie integriert, bei 43 Prozent zumindest teilweise. Bleiben immerhin noch fast vier von zehn Unternehmen, bei denen das nicht der Fall ist – wobei knapp die Hälfte davon plant, Soziale Nachhaltigkeit in den nächsten zwei Jahren zum integrierten Bestandteil der Strategie zu machen.
„Auch in der Organisationsstruktur ist Soziale Nachhaltigkeit noch nicht stringent abgebildet, zum weitaus größeren Teil gibt es in den Unternehmen noch keine klare Zuordnung der Verantwortung“, so Christina Gobin-Reider, Senior Consultant bei EY-Parthenon und Studienautorin.
Nur ein Viertel der Organisationen (23 %) hat eine:n Nachhaltigkeitsverantwortlichen. Bei ebenso vielen Unternehmen (22 %) werden die Agenden ressortübergreifend bearbeitet. Während in einigen Unternehmen Projektteams, bestimmte Abteilungen oder die Geschäftsführung zuständig sind, gibt es in 17 Prozent der Organisationen noch gar keine verantwortlichen Personen.
Fokus auf Mitarbeitende
Der klare Fokus der Führungskräfte im Bereich Soziale Nachhaltigkeit liegt auf den eigenen Arbeitskräften, gefolgt von Arbeitskräften in der gesamten Wertschöpfungskette und Konsument:innen.
Dementsprechend legen auch die gesetzten Maßnahmen der teilnehmenden Organisationen einen starken Schwerpunkt auf die eigenen Workforce:
78 Prozent haben bereits Maßnahmen für eine angemessene/flexible Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben umgesetzt. Fast drei Viertel (73 %) fördern die Gesundheit des Personals, etwa zwei Drittel (69 %) setzen auf angemessene Löhne und Gehälter und 63 Prozent konzentrieren sich auf Gleichbehandlung und Chancengleichheit.
Stakeholder außerhalb der eigenen Workforce erhalten derzeit noch deutlich weniger Beachtung: Weniger als die Hälfte (45 %) setzen Maßnahmen zur Sicherheit und Gesundheit von Endverbraucher:innen um, und nur eine:r von drei (34 %) kümmert sich um angemessene Arbeitsbedingungen für Arbeitskräfte außerhalb des Unternehmens, aber innerhalb der Wertschöpfungskette.
„ESG sieht aber eine Reihe weiterer Kriterien vor, die eindeutig bei österreichischen Unternehmen eine größere Beachtung verdienen, als sie derzeit haben – Stichwort Nicht-Diskriminierung und Zugang zu Produkten. Dazu zählen zum Beispiel die Berücksichtigung spezieller Rechte von betroffenen, indigenen Bevölkerungsgruppen, die Unterstützung der sozialen Eingliederung von Verbrauchenden, die Förderung der Diversität von Arbeitskräften in der Wertschöpfungskette und viele mehr“, so Johannes Zitterl, Senior Consultant bei EY-Parthenon.
Messbarkeit der Zielerreichung
Sowohl im Profit- als auch im Non-Profit-Bereich wird die Zielerreichung der gesetzten Maßnahmen in Sozialer Nachhaltigkeit nur teilweise gemessen. Insgesamt geben nur drei Prozent aller Befragten an, die Zielerreichung wirklich umfassend zu messen. Ein Viertel (26 %) misst weitgehend, ein Drittel (34 %) zumindest teilweise.
Dort, wo die Messung von Maßnahmen leichter fällt, nämlich bei den eigenen Arbeitskräften, wird diese tendenziell auch stärker verfolgt. So messen 44 Prozent die angemessene/flexible Arbeitszeit und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Immerhin noch 39 Prozent sehen sich die Angemessenheit der Löhne und Gehälter sowie die Auswirkungen der Maßnahmen zur Förderung von Gesundheit und Sicherheit des Personals genau an.
„Auch hier zeigt sich, dass externe Zielgruppen wie Endverbraucher:innen weniger stark im Fokus stehen. Derzeit prüfen zum Beispiel nur 15 Prozent der österreichischen Organisationen genau, ob Maßnahmen für die Sicherheit und Gesundheit der Verbrauchenden bei der Nutzung der Produkte Früchte tragen“, erklärt Christina Gobin-Reider
Gesetzliche Regularien und Kostenfaktor
Insgesamt halten österreichische Unternehmen und Organisationen gesetzliche Regularien, hohe Kosten bzw. fehlende Liquidität und das gegebene Angebot von zuliefernden Unternehmen für die größten Herausforderungen, um Soziale Nachhaltigkeit zielgerichtet umzusetzen.
Jede zweite Führungskraft (49 %) nennt zu viele, zu komplexe gesetzliche Vorgaben als größte Hürde, 39 Prozent geben hohe Kosten bzw. fehlende Liquidität als größte Schwierigkeit an. Drei von zehn Organisationen (30 %) nennen das Beschaffungswesen, insbesondere das Angebot von Zuliefernden, als Stolperstein. Etwa ein Viertel bezeichnet fehlende Information/fehlendes Wissen in der Organisation und die Problematik der Vereinbarkeit Sozialer Nachhaltigkeit mit den unternehmerischen Zielen (beide 26 %) als Hürde.
Steigende Bedeutung Sozialer Nachhaltigkeit bei der öffentlichen Vergabe
Fast die Hälfte der befragten Manager:innen (48 %) ist der Meinung, dass Kriterien der Sozialen Nachhaltigkeit im Vergaberecht (bei öffentlichen Projekten) künftig eine sehr große Rolle spielen werden, 37 Prozent sehen immerhin eine große Rolle bei der Auftragsvergabe.
„Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben, werden nicht nur nach Preis und Qualität ihrer Produkte oder Dienstleistungen beurteilt, sondern auch nach ihrer sozialen Verantwortung. Die Kriterien können beispielsweise Arbeitsbedingungen, Gehälter, Bildung und Weiterbildung von Mitarbeitenden und Engagement in der Gesellschaft umfassen. Unternehmen werden also dazu ermutigt, sich nachhaltiger zu verhalten, um bei öffentlichen Ausschreibungen wettbewerbsfähig zu sein. Das beeinflusst wiederum positiv die österreichische Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt, indem es dazu beiträgt, soziale Standards zu verbessern und das Bewusstsein für soziale Nachhaltigkeit zu erhöhen“, unterstreicht Christian Horak.
Digitalisierung und soziale Nachhaltigkeit
Fast drei Viertel der Befragten (72 %) sind der Ansicht, dass Digitalisierung Soziale Nachhaltigkeit unterstützen kann – neun Prozent sehen darin sogar eine entscheidende Voraussetzung.
„Soziale Nachhaltigkeit in die Strategie zu integrieren, zu leben und auch zu messen wird als entscheidender Erfolgsfaktor in der zukünftigen Ausrichtung von Organisationen gesehen. Um auf Augenhöhe im Wettbewerb zu bleiben, empfiehlt es sich, bei den Maßnahmen über den Tellerrand der internen Workforce hinauszublicken und auch externe Stakeholder stärker in den Fokus zu rücken. Die Verschränkung von Digitalisierung mit sozialer Nachhaltigkeit kann hier entscheidend helfen. Die ersten Schritte sind gesetzt, jetzt gilt es, dranzubleiben und die Bemühungen weiter zu verstärken“, ergänzt Christian Horak abschließend.