Nach den zwei Rekordjahren 2021 und 2022 hat sich das Volumen, das Geldgeber:innen in Österreichs Start-ups investieren, 2023 reduziert. Eine Gesamtsumme von 695 Millionen Euro ist zwar ein Rückgang um 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, aber immer noch die größte lukrierte Summe mit Ausnahme der beiden Boom-Jahre.
Eine starke Entwicklung gab es bei der Anzahl der Finanzierungsrunden, die entgegen dem internationalen Trend um rund 22 Prozent auf eine neue Bestmarke von 151 auf 184 gestiegen ist. 2023 wies jedoch im Gegensatz zu den beiden Vorjahren keinen einzigen “Mega“-Deal mit einer Investitionssumme von über 100 Millionen Euro auf.
Männliche Dominanz
Keine Veränderungen gab es hingegen bei der Diversität von Founding Teams mit abgeschlossener Finanzierungsrunde. Nach wie vor kommen Investments in heimische Start-ups fast ausschließlich rein männlich zusammengesetzten Gründungsteams zugute:
Bei 84 Prozent der Finanzierungsrunden 2023 bestanden die Gründungsteams nur aus Männern – das sind nochmal drei Prozentpunkte mehr als 2022 (81 %). Bei 14 Prozent bestanden die Founding Teams aus männlichen und weiblichen Gründer:innen. Für rein weiblich besetzte Führungsteams gab es im ersten Halbjahr 2023 nur drei Finanzierungsrunden – das entspricht rund zwei Prozent.
Kapitalverfügbarkeit bei Gründerinnen
Laut einer im vergangenen Jahr veröffentlichten Studie des WU-Gründungszentrums im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft sind in Österreich 36 Prozent aller Start-ups von Frauen oder mit Co-Founderinnen gegründet worden, was den höchsten Wert in der EU darstellt. Der Austrian Start-up Monitor verzeichnet für das Jahr 2022 einen Anteil von knapp 39 Prozent an Female Start-ups – und damit etwas mehr als im Vorjahr mit 36 Prozent. Allerdings erhielten Female Start-ups, also Jungunternehmen mit mindestens einer Frau im Gründungsteam, 2023 nur 16 Prozent der Investments – weniger als 2022 mit 19 Prozent.
Noch größer ist das Ungleichgewicht beim Finanzierungsvolumen: 90 Prozent des investierten Kapitals – und damit noch einmal mehr als 2022 mit 87 Prozent – flossen in Start-ups und Scale-ups, bei denen das Founding Team nur aus Männern besteht. Das liegt knapp über dem langfristigen Durchschnitt von 88 Prozent zwischen 2010 und 2021.
Dementsprechend ist der Anteil der weiblichen Founder auch in der Frühphase bis zu einer Million Euro Finanzierungsvolumen mit 9,6 Prozent am höchsten, sinkt bei Deals zwischen 1,1 und zehn Millionen Euro bereits auf 6,5 Prozent und pendelt sich schließlich bei Runden mit über 50 Millionen Euro Volumen bei null ein.
„Investments in Female Start-ups mit zumindest einer Frau im Founding Team bleiben leider eine Ausnahme in Österreich. Wie schon 2022 gehen rund neun von zehn investierten Euros an rein männlich besetzte Gründungsteams, und gerade einmal bei 16 Prozent der Finanzierungsrunden waren überhaupt Frauen Teil der Gründungsteams. Am Anfang der Fahnenstange sind Frauen stärker positioniert: Gemischte und auch rein weibliche Founding Teams werden immer mehr. Diese Stärke gilt es auf den Boden zu bringen und Finanzspritzen dann auch tatsächlich zu lukrieren. Immerhin sind laut vielen Studien gemischte Teams wirtschaftlich erfolgreicher, erzielen höhere Umsätze und haben die zufriedeneren Mitarbeiter:innen“, so Florian Haas, Head of Startup bei EY Österreich.
„Was mich schockiert ist die Tatsache, dass sich die Zahlen in Österreich gegen den europäischen Trend entwickeln. Wir sehen in Europa eine Zunahme an Finanzierungsrunden mit weiblicher Beteiligung, gerade bei Pre-Seed-Runden. Warum Österreich hier besonders schlecht dasteht – trotz des überdurchschnittlich hohen Anteils an Start-up-Gründerinnen – hat aus meiner Sicht ganz starke gesellschaftliche und strukturelle Gründe. Und nicht zu vergessen einen geringen Anteil an weiblichen Investorinnen – sowohl auf VC- als auch auf Angel-Investor-Seite. Mit gezielten Anreizen wie beispielsweise einem Beteiligungsfreibetrag könnte man auf einen Schlag gleich mehrere Probleme lösen“, sagt Lisa-Marie Fassl, Managing Partner bei Fund F und Co-Gründerin von Female Founders.
„Female Founders“
Insgesamt waren 335 Gründer:innen in 2023 an zumindest einer Finanzierungsrunde beteiligt. Nur 29 dieser Gründer:innen und damit weniger als jede:r zehnte Founder:in war weiblich. Damit liegt der Anteil an Gründer:innen mit einer Investitionsrunde deutlich unter dem jährlichen Durchschnitt (17 %).
Am höchsten ist der Frauenanteil mit 30 Prozent im Bereich Professional Services (5 Finanzierungsrunden). In den Sektoren E-Commerce (15 %, 22 Runden), AgTech (13 %; 3 Runden), Health (12 %; 17 Runden), Hardware (11; 3 Runden) und Software & Analytics (10 %, 57 Runden) liegt der Anteil an Gründerinnen ebenfalls überdurchschnittlich hoch. In neun der 16 untersuchten Sektoren bestanden die Gründungsteams der Start-ups mit Finanzierungsrunden 2023 ausschließlich aus männlichen Gründern, darunter FinTech, Energy oder Mobility.
„Die Zahlen für Österreich decken sich nur wenig mit den Zahlen, die wir europaweit sehen. ClimateTech und Fintech sind in unserem internationalen Dealflow deutlich stärker repräsentiert als hierzulande. Im letzten Jahr hat Fund F mehr als 20 Prozent der Start-ups allein im Bereich ClimateTech gescreent, zwei Unternehmen aus diesem Vertical sind bereits Teil des Fund F Portfolios“, ergänzt Valerie Hengl, die selbst erfahrene ClimateTech-Gründerin ist.