Was halten Sie von der Bezeichnung Generation Z, also die Gruppierung aller zwischen 1995 und 2010 Geborenen und damit einer Gruppe, die gerade im Kontext von veränderter Arbeitseinstellung oft diskutiert wird?
Ich halte den Generationenbegriff für schwierig, weil zu viel hineingelegt wird. Jugendliche und junge Erwachsene sind keine homogene Gruppe. Das gilt auch beim Zugang zu Arbeit. Wir finden in unterschiedlichen jungen Milieus verschiedene Einstellungen, Anforderungen und Erwartungen rund um das Thema Erwerbsarbeit wieder. Ein AHS-Schüler aus dem 7. Wiener Bezirk tickt bei vielen Dingen komplett konträr zu einem Lehrling bei den Bundesbahnen aus Knittelfeld. Ich probiere, den Begriff Generation Z zu vermeiden.
Deuten denn Ihre Studien auf einen Generationenkonflikt beim Thema Arbeit hin?
Wir können auf Grundlage unserer Forschung keinen Generationenkonflikt ausmachen, wir sehen eher Gegenteiliges. Wir erleben bei den jungen Leuten – also auch jenen, die vor 1995 und nach 2010 geboren sind – ganz allgemein wenig Auflehnung gegenüber dem Elternhaus. Es gibt in der Breite keine großen Wertebrüche.
Beim Thema Erwerbsarbeit gibt es den Trend, dass Menschen weniger bereit sind, ihr Leben prioritär der Arbeit zu widmen. Arbeiten gehört, auch für die Jungen, dazu, nur die Gewichtung fällt anders aus. Besonders bei den jungen Menschen merkt man, dass sie die Elterngeneration als schlechtes Vorbild wahrnehmen, etwa in Bezug auf Arbeit zu Lasten von Gesundheit oder auch gemeinsamer Zeit mit der Familie. Zudem hat Corona einen massiven Bruch beim Zugang zu Arbeit verursacht, den man momentan vielleicht sogar noch unterschätzt.
Inwiefern?
Es geht um die Art, wie wir arbeiten, und die Sinnfrage. Wir können zwar auch heute noch im Großteil der Jobs kein Home-Office machen, aber Home-Office war bei Arbeitsdiskussionen vor Corona immer eine Art Gimmick. Heute ist es bei der Büroarbeit zum Alltag geworden.
Zudem hat sich die Wertigkeit von Berufsfeldern massiv verändert. Tourismus und Freizeitwirtschaft haben plötzlich den Nimbus verloren, sichere Arbeitsplätze zu bieten. Die Pflege oder der medizinische Bereich, wo sich der Sicherheitsnimbus eher verstärkt hat, stehen für komplette Überbelastung. Diese Bereiche haben damit ebenfalls für junge Menschen an Attraktivität verloren.
Wie wollen junge Menschen arbeiten?
Das Sicherheitsthema wird uns weiter begleiten, auch wenn derzeit durch die offenen Stellen viel Sicherheit vom Arbeitsmarkt ausgeht. Aber kurz vor der Pandemie war es noch schwer, Lehrlingsplätze in bestimmten Bereichen zu bekommen. Die Jungakademiker hatten wenig Jobperspektive. Diese Erfahrung legen wir nicht so einfach ab. Wir leben in multiplen Krisen, u.a. mit Krieg und hohen Energiepreisen. Die jungen Menschen haben erlebt, dass sich von jetzt auf gleich alles ändern kann. Es zeigt sich, dass sie heute eher im Jetzt leben und dies finanziell absichern wollen, aber nicht weit in die Zukunft denken. Das Streben nach Karriere spielt weniger eine Rolle.
Zudem geht es um die Machtfrage: Lehrlingen werden heute und vor dem Hintergrund des Arbeitskräftemangels viel attraktivere Angebote gemacht, um sie zu gewinnen. Nachdem Überstunden oder Schichtarbeit weniger gut ankommen, wird nach einem attraktiven Ausgleich gesucht. In jenen Milieus, wo Flexibilisierung eine geringe Rolle spielt, geht es auch ums Gehalt. Aber in unseren Studien sehen wir, dass mit Zunahme des Alters und des Gehaltes die Wertigkeit des Gehaltes gegenüber Freizeit verliert – vorausgesetzt, man verdient bereits so viel, dass man mit dem vorhandenen Geld nicht jeden Euro umdrehen muss.
Aber wie geht weniger Arbeiten mit einem Leben, das immer teurer zu werden scheint, zusammen? Wird weniger konsumiert?
Die Finanzierung von einem guten Leben im Hier und Jetzt ist zentral. Das Sparen spielt heute hingegen bei jungen Menschen keine wirkliche Rolle. Die Vorsorge für später hat an Wert verloren. Die Aussteigerszenarien, etwa die Aufgabe des Jobs für ein Leben auf dem Land und mit Selbstversorgung, sind aber eher ein Minderheitenprogramm.
Künftig kann es natürlich passieren, dass es vermehrt zu Wertigkeitsverschiebungen zwischen Konsum und Freizeit kommt, also Freizeit vielleicht höher bewertet wird, aber das sehen wir derzeit noch nicht. Die Angst davor, sich Wohnen und Leben nicht mehr finanzieren zu können, hat aber schon wieder zu Stundenaufstockungen geführt, wie es aus dem Betriebsumfeld heißt.
Die Basisfinanzierung muss vorhanden sein und wird auch das Wichtigste bleiben. Es geht vielleicht weniger darum, weniger zu verdienen, versus mehr Freizeit, sondern um: Karriere und Aufopferung versus Freizeit. Das Gejammere über die junge Generation ist nicht gerechtfertigt, auch nicht auf Grundlage unserer Studien. Es geht nicht darum, dass die jungen Menschen ‚keinen Bock auf Arbeit‘ haben. Sie haben keinen Bock, nur noch zu arbeiten.
Zur Person
Matthias Rohrer ist Meinungs- und Jugendforscher mit Fokus auf die Lebenswelt von Menschen. Er analysiert seit 15 Jahren Zielgruppen mittels quantitativer und qualitativer Forschung. Seit 2022 leitet er Das Zielgruppen Büro in Wien. Zudem ist er Vorstandsmitglied vom Institut für Jugendkulturforschung in Wien und Hamburg.