Gleich zu Beginn ein Einschub: Der Begriff “Konkrete Kunst” oder französisch “art concret” wurde 1924 von Theo van Doesburg bewusst als Gegensatz zu der “abstrakten Kunst” in die Kunstsprache eingeführt. “Konkrete Kunst” meint allerdings nicht figurative Kunst – mit dem Begriff “konkret” wird vielmehr die Kunst näher bezeichnet, die nicht abstrakt ist, da sie keine Naturvorbilder abstrahiert oder verzerrt. Dadurch erfolgt bei der konkreten Kunst eine Differenzierung zwischen abstrakter und gegenstandsloser Kunst. “Konkrete Kunst” meint vielmehr jene Kunst, die auf Linien, Flächen und Farben basiert und die meist einem klaren geometrischen Prinzip folgt.
Ib Geertsen (1919 – 2009) gilt als einer der wichtigsten dänischen Vertreter der Konkreten Kunst. Sein Werk nimmt Tendenzen der zeitgenössischen Kunst vorweg – es reicht von Malerei über Skulpturen bis hin zu Arbeiten im öffentlichen Raum – seine bis zu drei Meter großen Mobiles sind eine der zahlreichen Ausdrucksweisen seines vielfältigen Werkes. Dieses kann in einem Atemzug mit Serge Poliakoff oder Alexander Calder genannt werden. Letzterer perfektionierte einst die Kunstform Mobile, auf ihn geht auch der Satz zurück: „Wenn alles klappt, ist ein Mobile ein Stück Poesie, das vor Lebensfreude tanzt und überrascht.“ Der Begriff „Mobile“ geht dabei auf Marcel Duchamp zurück, er verwendete ihn ab den 1930er Jahren für Frühwerke von Alexander Calder.
Für Ib Geertsen waren seine Mobiles „Luftzeichnungen“. Vier besonders prominente Beispiele seiner „Luftzeichnungen“, allesamt Unikate, werden im Rahmen der Design-Online-Auktion des Dorotheum am 7. Oktober 2020 angeboten. “
Lot-Nummer 38, 39, 40 und 41
Ursprünglich aus der Privatsammlung des Künstlers und danach aus einer belgischen Privatsammlung stammt das 1,5 mal 1,1 Meter dimensionierte frühe Einzelstück „Cirkelmobile“ (Lot-Nr. 38). Das 1954 entstandene Mobile aus schwarz und blau lackiertem Eisen wirkt, an der Zimmerdecke oder einem Ast befestigt, wie eine dreidimensionale bewegliche Zeichnung, die sich bedingt durch Luftzug oder Wind ständig spielerisch-poetisch verändert (Schätzwert € 30.000,- bis 36.000,-).
Zwei weitere Arbeiten von Ib Geertsen sind als Mobile gedacht, und in breiten rot bzw. blau lackierten Schleifen aus Aluminium gestaltet. Bei „Tegn I“ (Lot-Nr. 39) wie „Tegn IV“ (1958-62; Lot-Nr. 40), übersetzt „Zeichen“, könnte man in ihren unterschiedlichen Ansichten ein unbekanntes Alphabet vermuten. Oder etwa Noten, gibt es doch Interpretationen, das Mobile sei Ib Geertsens „atmosphärische Kammermusik“ (€ 8.000,- ; € 12.000,- ; € 8.000,- ; € 15.000,-).
Feinere, energische Linien kennzeichnen das in Rot und Hellblau gehaltene „Mobile“ (Lot-Nr. 41) von 1967, in seiner größten Ausdehnung 2,5 Meter lang (€ 12.000,- bis 18.000,-).
Von 1900 bis heute
Der Themenschwerpunkt der Design-Auktion liegt auf dem Midcentury und dem zeitgenössischen Design, wobei der Bogen beginnend von Bugholzmöbeln aus der Jahrhundertwende über das Bauhaus gehend bespannt wird. Angeboten wird etwa ein Ensemble aus Typenmöbeln der “Frankfurter Küche” von Margarete Schütte-Lihotzky (€ 10.000,- bis 15.000,-). Ein von Verner Panton 1956 entworfener Satz von sechs S-Stühlen Mod.275 (€ 20 000,- bis 30 000,-) findet sich ebenso in der Auktion wie ein Satz von vier überdimensionalen Keramik-Skulpturen, Entwurf Alessandro Mendini 2008, für Superego Editions (€ 20.000,- 28.000,-). Beim Zeitgenössischem Design überzeugen etwa ein 1993 entworfener “Bookworm”-Büchertisch (Sidetable) von Ron Arad 1993 (€ 7.000,- bis 12.000,-) oder ein Sideboard/Mobile Bar Mod. Bertrand, 1987 von Massimo Iosa Ghini für Memphis Milano entworfen (€ 7.000,- 12.000,-).
Die online Online-Auktion DESIGN läuft auf www.dorotheum.com noch bis Mittwoch, 7. Oktober 2020, 15 Uhr. Noch wesentlich länger läuft die Auktion „Meisterzeichnungen und Druckgraphik bis 1900, Aquarelle, Miniaturen“ – Auktionstermin ist der 20.10.2020. Siehe auch unseren Beitrag „Ritzeratze! Voller Tücke,“ in dieser Ausgabe.
Uhren, Schmuck und Juwelen kommen, passend für das Christkind, Ende November unter den Hammer. Wir werden über die schönsten Stücke vorab berichten.
Autodidakt Ib Geertsen
Ib Geertsen wurde 1919 in Kopenhagen geboren und starb dort im Jahr 2009. In den 1930er Jahren machte er zunächst eine Ausbildung als Gärtner, bevor er sich als Autodidakt der Kunst zuwandte. Er war Mitbegründer der Künstlergruppe “Linien II”, die zwischen 1949 und 1952 die dänische Konkrete Kunst mit internationalen Positionen dieser Bewegung verknüpfte. Geertsen, der für einen offenen, Gattungsgrenzen sprengenden Stil steht, schuf hauptsächlich farbkräftige abstrakte Gemälde, oft mit einer ihm typischen Tropfenform, und gestaltete in Dänemark viele öffentliche Gebäude und Parks mit Malereien und (begehbaren) Skulpturen. Der Künstler war Gründungsmitglied der Gruppe „Linien II“, die zwischen 1949 und 1952 die dänische mit der internationalen Konkreten Kunst verband. Seit den 1950er Jahren hatte er Einzelausstellungen an allen wichtigen Häusern seines Heimatlandes und war an zahlreichen internationalen Gruppenausstellungen zur Konkreten Kunst beteiligt. Seine Werke sind in den Sammlungen etwa des Staatlichen Kunstmuseums Kopenhagen, des ARoS in Århus, Sorø Art Museums oder des Trapholt Museums in Kolding vertreten.
„Ritzerazte! Voller Tücke,…“
Na? Wie geht es weiter? Und der wievielte Streich Max und Moritz war das? Richtig, der dritte.
Mit seinen Bildergeschichten von Max und Moritz oder Fipps, dem Affen, ist Wilhelm Busch (1832 – 1908) bis heute allgegenwärtig. Der Schreiberin dieser Zeilen ist kein Kinderzimmer ohne einer „zerliebten“ Max und Moritz-Ausgabe erinnerlich. Busch gilt als Klassiker des deutschen Humors, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Joachim Ringelnatz, Christian Morgenstern, Eugen Roth und Heinz Erhardt bezeichneten Wilhelm Busch als „geistigen“ Vorfahren oder Verwandten. Eine ähnliche Bedeutung haben seine Bildergeschichten, sie gelten als die Vorfahren der noch heute beliebten Comics und Busch als Großvater ebendieser. Einer der ältesten modernen Comicstrips „The Katzenjammer Kids“– erstmals am 12. Dezember 1897 im American Humorist, einer Sonntagsbeilage des New York Journal erschienen – hat Max und Moritz als Vorlage.
Wilhelm Busch war Dichter, Zeichner und Maler. Das wohl populärste und bedeutendste Selbstbildnis wird im Dorotheum am 20. Oktober 2020 in einer Online-Auktion versteigert.
Das in der Dorotheum-Auktion „Meisterzeichnungen“ angebotene Selbstporträt galt seit 1949 als verschollen und war seither in der kunsthistorischen Literatur nur noch durch Reproduktionen überliefert. So war es zuletzt am Frontispiz des Kataloges von Fritz Novotny „Wilhelm Busch als Zeichner und Maler“, Wien 1949, abgebildet, seither hatte sich jedoch die Spur des Blattes verloren. Die Wiederauffindung des verschollenen Selbstporträts, welches sich bereits seit mehreren Generationen in österreichischem Privatbesitz befand, kann man getrost als Sensation werten. Es zeigt den 62-jährigen Künstler mit breitkrempigem Hut und durchdringenden Blick. Die Zeichnung ist eines von insgesamt sieben gezeichneten Selbstporträts, die zwischen 1853 und 1895 entstanden sind.
Das zu versteigernde Porträt zeichnet sich im Vergleich zu den anderen bekannten Selbstbildnissen durch schwungvolle und energische Federstriche aus und verleiht ihm so eine besondere Ausdrucksstärke. Dorotheum-Expertin Astrid-Christina Schierz schätzt die Federzeichnung auf € 12.000,- bis 16.000,-.
Wilhelm Busch selbst war von seiner Malkunst – hauptsächlich malte er in Öl – nicht sehr überzeugt, vielmehr habe er einiger Biographien zufolge seine Selbstzweifel nie wirklich besiegen können, habe er nur wenige Gemälde als fertig betrachtet. Viele seiner Gemälde haben laut Biograph Joseph Kraus alle das gleiche Schicksal ereilt: Noch feucht vom Meister selbst in Ecken seines Ateliers aufeinander geworfen, zu einem unlösbar miteinander verklebten „Gemäldestapel“. Wurden die Bilderstapel zu hoch, so verbrannte er sie im Garten.
Mit seinem Zitat „Oft trifft man wen, der Bilder malt, viel seltener wen, der sie bezahlt“ sublimierte er humorvoll und gekonnt seine enttäuschte künstlerische Hoffnung. Als Schriftsteller erlangte Wilhelm Busch weit mehr Ruhm, so bezeichnete Albert Einstein ihn in einem Brief an die Wilhelm Busch-Gesellschaft 1954 als einen der größten Meister stilistischer Treffsicherheit.
Apropos stilistische Treffsicherheit: Auch Dürer ist in der „Meisterzeichnungen“-Auktion vertreten, etwa mit dem Kupferstich „Der Koch und sein Weib“ um 1469/97 – also aus eher jüngeren Jahren und noch vor seiner Reise nach Venedig.
Da die Auktion „Meisterzeichnungen“ heißt, noch ein „Meister“: Rembrandt Harmensz van Rijn, kurz Rembrandt, gibt der Auktion, unter anderen Werken, mit „Der Engel verlässt die Familie des Tobias“ die Ehre. Die Radierung ist der Höhepunkt und quasi die Schlußszene aus dem Buch Tobit, Kapitel 12, in dem sich der Engel Raphael verabschiedet und wieder zu dem aufsteigt, der ihn gesandt hat (Vers 20).
Und weil wir grad „heilig“ unterwegs sind, noch ein sehr biblisches Sujet zum Abschluß: „Der hl. Joseph mit dem Christuskind“ von Paul Troger steht bei einem Ausrufungspreis von 600 Euro und
ist damit im Vergleich zum Wilhelm Busch-Startpreis von 12.000 Euro geradezu ein Schnäppchen.
Womit wir wieder bei Max und Moritz wären. Aber wie ging es denn nun weiter?
„In die Brücke eine Lücke.
Als nun diese Tat vorbei,
hört man plötzlich ein Geschrei:
He, heraus du Ziegen-Böck!
Schneider, Schneider, meck, meck, meck!…
Autor/in: Helga Kremer