TOP LEADER-Chancen für Europa

von Christoph Leitl, Co-Herausgeber TOP LEADER und Präsident der europäischen Wirtschaftskammer EUROCHAMBRES.
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Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck.
Digitalisierungsministerin Margarete Schramböck.

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Zugegeben – gefühlsmäßig ist so mancher von uns noch dem Sommer zugeneigt, der aufgrund oftmals alternativer Urlaubsplanung neue Möglichkeiten und Erfahrungen geboten hat. Wettermäßig haben wir in den letzten Tagen bereits einen kleinen Hinweis auf den herannahenden Herbst bekommen, der uns nicht nur im Hinblick auf die nach wie vor akute Corona-Pandemie auf wirtschaftlicher, sozialer, psychologischer und persönlicher Ebene mit Herausforderungen konfrontieren wird.

Herausforderungen darf man einen positiven Aspekt zugestehen und auch die Möglichkeiten sehen, die sie mit sich bringen. Als Präsident der europäischen Wirtschaftskammer EUROCHAMBRES freue ich mich, dass viele Anstrengungen unternommen worden sind, um diesen akuten Bedrohungen der Wirtschaft und unserer gesamten Gesellschaft bestmöglich entgegenzuwirken. Europa hat sich auf einen Rescue and Recovery Plan geeinigt – in schwierigen Zeiten steht man besser zusammen!

EUROCHAMBRES wird alle Anstrengungen unternehmen, um auf europäischer Ebene so wie bisher die Vorschläge unserer Mitglieder in dieses Rettungsprogramm einzubringen und bestmöglich umzusetzen.

Was sind also die Schwerpunkte von EUROCHAMBRES in diesem Herbst?

Abgestimmt mit Kommission und Parlament wollen wir an folgenden neun Punkten arbeiten:

  1. Rescue and Recovery-Programm: weitere Maßnahmen für unsere europäischen Betriebe setzen.
  2. Das mittelfristige Budget, das vom Rat beschlossen worden ist, vom Parlament jetzt noch nachverhandelt wird. Ich bemühe mich diesbezüglich vor allem auch darum, dass die De minimis-Regelung von 200.000 auf 500.000 Euro angehoben wird. Kein Nationalstaat ist verpflichtet, diese Möglichkeit auszunützen, es bedeutet allerdings ein wesentlich verringertes Maß an Bürokratie für diejenigen Länder, die ihren Unternehmungen, vor allem den kleinen und mittleren, konkret helfen wollen.
  3. Im Umweltbereich wird es zu einem Environmental law-Vorschlag kommen. Hier müssen wir nach dem Prinzip „Keine Strafen, sondern Belohnungen“ Anreize schaffen. Unser zentraler Punkt dabei ist die Circular Economy. Wir als Betriebe leisten damit gemeinsam mit der Politik und den Konsumenten einen ganz entscheidenden Beitrag zur Verbesserung unserer Umwelt.
  4. Future of Europe Conference. Die Diskussion über die Zukunft der Europäischen Union und die Stellung Europas in der Welt wird in diesem Herbst von der Kommission gestartet. Mir ist insbesondere die Einbindung junger Menschen in diese Diskussion wichtig, denn jetzt bietet sich die großartige Chance, gemeinsam entscheidende Zukunftsweichen zu stellen!
  5. Brexit. Es vermehren sich die Anzeichen, dass Großbritannien keine Lösungen will, sondern die EU ab 1. Jänner die WTO-Regeln den gemeinsamen Wirtschaftsbeziehungen zum United Kingdom zugrunde legen muss. Ich hoffe nach wie vor, dass Boris Johnson pokert, bin aber deswegen pessimistisch, weil er durch die Entfernung aller Pro-Europäer aus seiner Fraktion sehr viele Hardliner hat, die ihn nunmehr unter Druck setzen. EU-Betriebe müssen sich daher auf den worst case einstellen. Nachdem die WTO selbst derzeit gelähmt ist, wird das keine einfache Sache. UK ist in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Position, im zweiten Quartal war ein Wachstumseinbruch von 20 % zu verzeichnen (Europadurchschnitt 10 %).
  6. Digital Service Act. Eine der entscheidenden Forderungen der europäischen Wirtschaftskammer EUROCHAMBRES ist es, den gemeinsamen Markt zu stärken. In besonderer Weise trifft dies auch auf die Digitalisierung zu. Wir müssen stärker als andere Kontinente auf diesen Punkt setzen, Fördermöglichkeiten initiieren und unsere Betriebe in unseren nationalen und regionalen Vertretungen konkret mitbegleiten.
  7. Industrial Strategy. Welchen Weg nimmt die europäische Wirtschaft? (nicht nur Industrie!) Diese Strategie wird diskutiert und wir müssen ein wichtiger Teil dieser Diskussion sein. Was hat sich durch Corona verändert? Wie schauen die internationalen Lieferketten aus? Welchen Einfluss hat dies auf unsere geplanten Freihandelsabkommen?
  8. Migration. Die Europäische Kommission plant einen New Pact on Asylum and Migration. Ein Thema, das auch uns unmittelbar berührt, ist es doch nicht nur von großer Bedeutung für unseren Arbeitsmarkt, sondern auch für das Ziel einer gelingenden Integration. Ohne das Mitwirken der Betriebe wird eine solche Integration nicht gelingen.
  9. Kapitalmarkt. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig auch ein europäischer Kapitalmarkt als Teil des Binnenmarktes ist. Hier sind uns die USA und China weit voraus. Ohne eine gesunde Kapitalausstattung sind unsere Betriebe ständig in Gefahr. Neue Instrumente wie Unternehmensanleihen, Crowd Funding, usw., müssen rasch und unbürokratisch als Angebot für unsere Betriebe erarbeitet werden.

Mit diesem Ausblick auf die kommenden Prioritäten der europäischen Wirtschaftskammer möchte ich aufzeigen, auf welchen Schwerpunktfeldern gemeinsam agiert werden muss. Europa braucht die Erfahrungen und Vorschläge der unternehmerischen Praxis und wir als Unternehmerorganisation müssen diese liefern. Wir haben eine Verantwortung für unsere Betriebe, damit aber auch für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ihre Familien und schließlich die Stabilität der Gesellschaft in Europa. Europa hat die Chance, aus dieser Pandemie und ihren Herausforderungen gestärkt hervorzugehen. An dieser Chance müssen wir mitwirken. Eine große, herausfordernde, aber auch schöne Aufgabe!

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