„Ich war eigentlich immer zu jung“
Sie haben 2017 als 56-Jähriger den Vorstandsvorsitz von Plansee zurückgelegt und sind an die Spitze des Aufsichtsrats gewechselt, nach 21 Jahren an der Spitze Ihres Familienunternehmens. In Ihrer Zeit als CEO ist Plansee kräftig gewachsen, von 3.000 auf 14.000 Mitarbeiter, und das verbunden mit erheblichen Internationalisierungsschritten.
Warum haben Sie das damals gemacht?
Ich war mein ganzes Leben lang eigentlich immer zu jung für den nächsten Schritt. Ich bin mit fünf in die Volksschule gekommen, war mit 23 Jahren Diplomingenieur, mit 26 Doktor der Montanuniversität. Ich bin dann nach drei Jahren Mexiko-Erfahrung nach Reutte gekommen, habe mit 32 eine Division geleitet und bin mit 35 Jahren Vorstandsvorsitzender geworden. Das wird man ja normalerweise nicht mit 35, auch nicht in Familienunternehmen. Nach 21 Jahren war ich mit 56 Jahren der längstdienende Vorstandsvorsitzende in der fast 100-jährigen Geschichte der Plansee-Gruppe.
Und warum dann der Wechsel?
Erstens einmal sind 21 Jahre eine sehr lange Zeit für einen CEO und es war an der Zeit, Veränderungen, neue Gedanken zuzulassen. Solange ich da war, konzentrierte sich viel auf meine Person, da ich Vorstandsvorsitzender, mit Nachname Schwarzkopf, und dazu noch Gesellschafter war.
Sie haben damals angekündigt, sich auf Strategie und Führungskräfte-Auswahl zu konzentrieren. Wie sieht diese Arbeit konkret aus?
Nehmen wir ein Bild aus dem Fußball: Ich bin vom Spielfeld an die Seitenlinie gewechselt. Ich glaube zwar, dass die strategische Ausrichtung nach wie vor richtig ist, aber sie war natürlich geprägt durch die Zeit, in der ich da war. Wir haben in diesen Jahren stark internationalisiert, große Unternehmen gekauft, Unternehmen fusioniert, Teile auch verkauft. All diese Schritte waren für unsere Unternehmensgröße sehr groß. Es ist wichtig, diese Entwicklungsschritte jetzt mit der nötigen Distanz zu beurteilen, ob sie immer noch strategisch richtig sind. Und zum Thema Personal: Wir kommen langsam als Führungsmannschaft in der Holding, aber auch in den Divisionen in eine Altersstruktur, wo es mittelfristig zu Veränderungen kommen muss.
Das Management sind jetzt 50-Jährige?
Das sind teilweise Mittfünfziger, teilweise schon fast 60-Jährige, das heißt, hier wird es zu Veränderungen kommen. Um diesen Prozess mit der notwendigen Distanz begleiten zu können, musste ich in den Aufsichtsrat wechseln. Ich bin zweieinhalb Jahre aus dem operativen Geschäft draußen und jetzt merke ich, dass ich genügend Distanz habe, um auch kritisch mit meinen eigenen Entscheidungen umzugehen.
„ICH BIN ZWEIEINHALB JAHRE AUS DEM OPERATIVEN GESCHÄFT DRAUSSEN UND HABE JETZT GENÜGEND DISTANZ, UM AUCH KRITISCH MIT MEINEN EIGENEN ENTSCHEIDUNGEN UMZUGEHEN.“
Dr. Michael Schwarzkopf
Aber Sie haben schon noch ein Büro im Unternehmen?
Ja, aber ich gebe ehrlich zu, dass ich meistens von zuhause aus arbeite. Ich bin bewusst nicht im Büro, damit der Vorstand nicht das Gefühl hat, im Nebenbüro sitzt der Aufsichtsratsvorsitzende und schaut mir über die Schulter. Aber natürlich sehen wir uns monatlich, für Reviews von Zahlen oder unternehmensrelevante Themen.
Wo sehen Sie bei Plansee große Herausforderungen?
Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner hat bereits davon gesprochen, er bereite seinen Konzern auf ein schwieriges Jahr vor. Konjunkturelle Schwankungen sind bei uns besonders ausgeprägt, weil wir mit unseren Produkten am Anfang der Wertschöpfungskette unserer Kunden stehen.
Wenn das Automobil um drei oder fünf Prozent schwankt, dann schwanken wir eher im zweistelligen Bereich. Wir haben aber genügend Flexibilisierungs-Tools, um uns darauf einzustellen.
Sie liefern metallurgische Produkte, vor allem auf Molybdän- und Wolfram Basis, vorrangig an den Maschinenbau, die Automobilindustrie und die Unterhaltungselektronik. Dabei geht es auch um Zukunftstechnologien wie Brennstoffzellen. Wo erwarten Sie Rückgänge, wo Hoffnungsmärkte? Wenn wir etwa das Elektroauto anschauen, ist das für Sie eine Bedrohung?
Die Elektromobilität wird kommen, aber aus meiner Sicht nicht so schnell, wie von allen erwartet. Wenn wir heute Hartmetallwerkzeuge liefern für die Zerspanung eines Motorenteils, dann wird man diese künftig nicht mehr in diesem Umfang brauchen. Aber es gibt auf der anderen Seite wieder Chancen, nicht nur aus der Elektromobilität, auch aus anderen neuartigen Energie-Erzeugungsmethoden, etwa der Brennstoffzelle oder der Solarindustrie. Ich glaube nicht, dass wir die Veränderungsgeschwindigkeit heute schon endgültig bewerten können. Die größte Gefahr für uns kommt von ganz woanders her, nämlich von der derzeitigen Abschottung der Märkte und der Schwäche der chinesischen Wirtschaft.
Sie sind finanziell gut gepolstert, dennoch stellt sich die Frage: Lässt so ein Fahren auf Sicht überhaupt länger fristige Weichenstellungen zu?
Sicherlich eine große Veränderung ist die gesamte Digitalisierung. Das macht Produktionsprozesse transparenter, bindet Kunden oder Lieferanten enger an das Unternehmen, das kann auch Amazonartige Lösungen für den Vertrieb betreffen. Das alles ist schon in irgendeiner Form disruptiv.
Wo steht Plansee da als Unternehmen?
Das sind alles Themen, die wir schon bearbeiten. Wir haben sogar ein erstes Unternehmen im Bereich der Digitalisierung in München gegründet, die Firma Matmatch. Das Unternehmen hilft etwa einem Produktentwickler, die richtige Werkstofflösung zu finden. Dazu bieten wir ein digitales Tool an, mit dem final die richtige Werkstofflösung und der entsprechende Lieferant gefunden werden können. Dabei können Sie nicht nur Plansee-Produkte aussuchen, sondern viele andere Werkstoffe wie etwa Aluminium oder irgendwelche Stahlqualitäten.
Haben Sie das im Haus entwickelt oder ein fremdes Start-up übernommen?
Wir haben mit einem Beratungsunternehmen und einer internen Mannschaft das Konzept entwickelt, dann aber bewusst in München das Start-up gegründet, da wir dort leichter das spezifische Fachpersonal finden.
Sie werben für Talente auf Ihrer Website unter anderem damit, dass es gute Aufstiegschancen gibt, 80 Prozent Ihrer Managementpositionen füllen Sie mit eigenen Mitarbeitern.
Wir schaffen es wirklich, 80 Prozent der Managementpositionen intern zu besetzen. Das ist wahrscheinlich Teil unseres Erfolgsrezeptes. Natürlich stellt sich die Frage: Wie bekommen Sie eine Fachkraft nach Tirol? Zunächst haben wir im technisch materialbezogenen Bereich einen guten Namen. Aber in anderen Bereichen, etwa im kaufmännischen oder bei HR, da müssen Sie Leute suchen, die auch gleichzeitig einen Hang zur Natur haben.
Skifahren und Bergsteigen?
Skifahren, Bergsteigen, Mountainbiken. Sie müssen einfach die Natur lieben. Wenn sie gern in die Oper gehen wollen oder ins Theater, dann ist man in einer guten Stunde in Innsbruck, in eineinhalb in München.
Werden junge Managerinnen und Manager angehalten, in ausländische Tochterunternehmen zu wechseln?
Das ist uns ein wirklich großes Anliegen, da wir für unsere Unternehmensgröße mit mehr als 50 Prozent außereuropäischem Umsatz ein sehr internationales Unternehmen sind. Wir haben eigentlich noch viel zu wenig Mobilität in der Gruppe. Aber dort, wo wir sie haben, bemühen wir uns mit jeder und jedem Einzelnen, dass das Rückfahrticket funktioniert, dass zumindest ein gleichwertiger Job in der Heimat oder in der nahen Heimat zur Verfügung gestellt wird.
In Ihren Unternehmensfilmen auf der Website sprechen mehrere Frauen, unter anderem die Leiterin des Testlabors und eine Technikerin in der Produktion. Wie hoch ist der Frauenanteil bei Ihnen in einer doch viele Jahre für Frauen nicht so offenen Branche?
Er ist sicherlich typischerweise für ein technik- und produktionsgetriebenes Unternehmen nicht so hoch. Wir bemühen uns immer wieder, Frauen in Führungspositionen zu bringen, haben auch einige in internationalen Positionen. Aber wir setzen nicht Quotenfrauen irgendwohin.
Das tut den Frauen nicht gut und auch dem Unternehmen nicht.
Wie sieht insgesamt Ihr Führungskonzept aus? War Ihre Mutter, die nach dem frühen Tod Ihres Vaters viele Jahre das Unternehmen entscheidend prägte, ein Vorbild für Sie?
Meine Mutter war immer nur im Aufsichtsrat, und sie war für mich nicht ein Vorbild in der Führung, das entsprach nicht ihrer Tätigkeit. Aber sie wurde sehr wohl ein Vorbild im Umgang mit Menschen, bewundernswert darin, wenn es darum ging, aus einem ganz schnellen Kennenlernen einer fremden Person einen Eindruck zu haben, der sich dann als richtig herausgestellt hat.
Und was hat das für Sie bedeutet?
Für mich war das Beeindruckendste ihre Großzügigkeit und ihr Umgang mit Menschen. Ich habe zwei konträre Seiten in mir: In der Geschäftswelt bin ich klar strukturiert, strategisch und zielorientiert denkend. Ich versuche immer, für mein Umfeld berechenbar zu sein. Es ist ganz, ganz wichtig, dass unsere Mitarbeiter wissen, was sie von einem Manager erwarten dürfen. Vertrauen ist ganz wichtig. Auf der anderen Seite bin ich privat umgänglich, lustig und nehme die Dinge nicht zu ernst.
Und welche Auswirkungen hat das aufs praktische Führen?
Wir sind kein sehr zentral ausgerichtetes Unternehmen. Die Basis ist, dass jeder weiß, wohin das Unternehmen will, es gibt klar kommunizierte Ziele. Aber innerhalb dieser Ziele oder Bandbreiten kann man sich bewegen. Das ist entscheidend: Jeder will sich selbst weiterentwickeln, die eigene Kreativität ausleben. Und ich möchte ausdrücklich sagen: Auch Fehler sind zulässig. Man sollte sie halt nicht zu oft machen. Aber man muss sie machen dürfen.
Michael Schwarzkopf wurde 1961 in München geboren, er ist in zweiter Ehe verheiratet und hat drei Kinder. Neben dem Skifahren betreibt er in den Tiroler Bergen Bike & Hike und geht auf die Jagd. Er ist Diplomingenieur in Maschinenbau (ETH in Zürich), studierte am Max-Planck-Institut in Stuttgart Werkstoffwissenschaften und promovierte an der Montanuniversität Leoben. Er leitete 21 Jahre als Vorstandsvorsitzender das operative Geschäft der Plansee-Gruppe und wechselte 2017 an die Spitze des Aufsichtsrats des Familienunternehmens.