Zwischen Blockbuster und Buzzword

Eine bestechende Technologie, immer mehr innovative Anwendungen und ein Hype, der sich gewaschen hat: Die Blockchain ist da und bringt viele Business-Herzen in Wallung. Text: Andreas Aichinger

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Sie ist der Stoff, aus dem derzeit die Business-Träume sind. Sie ist in aller Munde, darf in keinem Buzzword-Bingo fehlen und glänzt in vielen Augen heller als die schönsten Goldketten. Dabei ist „sie“ eigentlich auch nur eine Kette, und eine an sich unspektakuläre noch dazu: nämlich eine aus Datensätzen. Und obwohl die gängige Bezeichnung „Blockchain“ schon etwas mehr Sexappeal versprüht, ranken sich derzeit viele Legenden um eine Technologie, die im Grunde nichts anderes ist als ein elegant verschlüsseltes und räumlich verteiltes Datenbank-Managementsystem. Eine dieser Legenden: Die Blockchain ist erstmals 2008 im White Paper von „Satoshi Nakamoto“ – seine Identität ist bis heute ungeklärt – zur heute omnipräsenten Kryptowährung Bitcoin beschrieben worden. Dabei ist die Grundlagenforschung zur Blockchain bereits anno 1991 von den beiden Wissenschaftern Stuart Haber und Scott Stornetta vorgelegt worden.

Verträge, Anleihen, Lebensmittel

Im Kern stellt bei der Blockchain ein digitaler Fingerabdruck von Daten letztlich deren Unveränderbarkeit sicher. Und das wiederum ermöglicht sichere Transaktionen zwischen einander nicht bekannten Personen. Eine zwischengeschaltete Stelle wie eine Bank, eine Behörde oder ein Notar ist nicht mehr notwendig. Besonders gut kommt das bei „Smart Contracts“ zum Ausdruck: Bei diesen in Code gegossenen Verträgen sorgt vereinfacht gesagt allein schon die Blockchain für deren Einhaltung.

Naturgemäß umarmen längst auch die potenziell bedrohten Branchen die neuen Möglichkeiten: Die Erste Group etwa ist seit letztem Herbst Gesellschafter der Blockchain-basierten Handelsfinanzierungs-Plattform we.trade. Die Oesterreichische Kontrollbank nutzt die Technologie seit einigen Monaten zur Daten-Notarisierung bei der Begebung von Bundesanleihen. International haben US-Supermarkt-Riese Walmart und IBM vorgezeigt, wie die Blockchain im Handel durch die lückenlose Nachvollziehbarkeit einer Lieferkette vom Erzeuger bis ins Einkaufsregal Mehrwert schaffen kann. Ob als Waffe gegen den weit verbreiteten Klickbetrug in der Online-Werbung, in der öffentlichen Verwaltung (in Schweden etwa wurde so das Grundbuchregister modernisiert) oder im Energie- oder Gesundheitssektor: Trotz vieler ambitionierter Ketten-Reaktionen ist noch nicht ganz klar, welche der Anwendungen am Ende wirklich fliegen werden.

Ohne Partner keine Kette

Eine der zentralen Herausforderungen liegt indes bei allen Umsetzungen bereits jetzt auf der Hand: Es ist eine große Anstrengung notwendig, um eine entsprechende Kooperation – zum Teil auch mit Konkurrenten – zu etablieren. „Blockchain ist ein Teamsport“, bringt nicht nur IBM-Österreich-Geschäftsführerin Patricia Neumann die Anforderungen auf den Punkt. Ein weiterer oft ins Treffen geführter Knackpunkt ist die beschränkte Skalierbarkeit, die sich letztlich in einer begrenzten Anzahl der Transaktionen niederschlägt. Und das ist auch einer der wichtigsten Kritikpunkte des derzeit vielleicht lautesten Blockchain-Skeptikers überhaupt: des renommierten US-Nationalökonomen Nouriel Roubini, der einst auch das Platzen der Immobilienblase in den USA vorausgesagt hatte. Vor dem US-Senat nahm sich Roubini kein Blatt vor den Mund: „Blockchain ist die am meisten hochgejubelte und am wenigsten nützliche Technologie in der Geschichte der Menschheit.“

Ungeachtet dieser vollmundigen Kritik gibt es aber tatsächlich eine potenziell hochgefährliche Bedrohung für die Blockchain, die meist noch übersehen wird. Mit der Sicherheit könnte es auf mittlere Sicht nämlich gar nicht so weit her sein wie gehofft. Nämlich dann, wenn eine mächtige Superwaffe auf die Verschlüsselung losgelassen wird: Quantencomputer.

Quantencomputer als Ketten-Killer?

Es gibt Schätzungen von Physikern, wonach bereits in zehn Jahren ein Quantencomputer die digitalen Signaturen einer Blockchain in einer halben Stunde knacken können wird. Und so quasi zur „Ch­ainsaw“ für die Blockchain werden könnte. Die renommierte MIT Technology Review schreibt dazu: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Quantencomputer in der Lage sein werden, das Vertrauen in Blockchains zu untergraben.“ Das allerdings nur dann, wenn nicht auch die Blockchain ihrerseits aufrüstet, etwa mittels zusätzlicher Quantenkryptografie.

Eines aber ist die Blockchain-Technologie ungeachtet zukünftiger Bedrohungen auch heute schon mit Sicherheit: ein perfekter Lackmustest. Und zwar für das Gespür und die Informiertheit aller, die zwischen Chancen und Hype durchblicken und entsprechende Entscheidungen treffen müssen. Beim IT-Consulter Gartner sieht man das ähnlich: Zwar müsse man den „Hype vermeiden“ und hinterfragen, ob man die Blockchain-Technologie in einem konkreten Fall wirklich brauche. Andererseits sei es bedenklich, dass satte 77 Prozent der CIOs dem Trend noch immer die kalte Schulter zeigen.

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