Geldwäsche ist ein Problem, das die ganze Welt umfasst. Einnahmen aus kriminellen Handlungen wie Drogenhandel oder Korruption werden häufig über Ländergrenzen und mehrere Stationen verschoben, bis ihre Herkunft nicht mehr nachvollziehbar und das ursprünglich kriminelle Geld weiß gewaschen ist. Doch um welche Summen geht es insgesamt? Die TU Wien und die Utrecht School of Economics haben in einem gemeinsamen Projekt analysiert, wie sich das Volumen dunkler Finanzströme abschätzen lässt, und festgestellt: Mit relativ einfachen, von der Physik inspirierten statistischen Modellen lassen sich Schwarzgeld-Ströme erstaunlich gut beschreiben.
AUF SPURENSUCHE
Dass niemand präzise und vor allem vollständige Daten über Schwarzgeld-Ströme kennen kann, ist klar. Das heißt aber nicht, dass man völlig im Dunklen tappt. Prof. Michael Getzner leitet am Institut für Raumplanung der TU Wien den Forschungsbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik. Um internationale Geldwäsche mathematisch beschreiben zu können, schloss er sich mit dem Team von Prof. Brigitte Unger aus Utrecht zusammen. Die Finanzwissenschaftlerin gilt als europaweit anerkannte Expertin für die Ökonomie der Geldwäsche. „Unser Team hatte die Möglichkeit, Daten der niederländischen Steuerbehörden über Geldwäsche-Verdachtsfälle zu analysieren“, sagt Michael Getzner. Daraus erhält man zwar noch keinen zuverlässigen Eindruck über weltweite Schwarzgeld-Ströme, aber zumindest ein gutes Bild illegaler Transaktionen, an denen niederländische Partner beteiligt sind.
„Auf Basis dieser Daten wurde ein statistisches Modell entwickelt, das beschreibt, von welchen Parametern die Schwarzgeld-Flüsse abhängen“, erklärt Prof. Getzner. „Man kann sich dabei von der Physik inspirieren lassen: Interessanterweise haben Geldwäsche-Ströme einiges mit der Gravitation gemeinsam.“ Die Gravitationskraft zwischen zwei Planeten wächst mit ihrer Masse, und sie nimmt mit dem Quadrat des Abstands ab. Ähnlich verhält es sich auch bei der Geldwäsche: Je größer eine Volkswirtschaft, umso größer die Geldströme. Aber auch das Volumen an Geldwäsche-Transaktionen nimmt in Näherung mit dem Quadrat des Abstands ab. Das mag auf den ersten Blick überraschend wirken – schließlich ist es in einer globalisierten Welt kein großer Aufwand, Geldsummen über große Distanzen zu überweisen. „Gerade bei kriminellen Tätigkeiten spielen Abstand beziehungsweise Nähe aber doch eine wichtige Rolle“, erklärt Michael Getzner. Denn: „Geldwäsche braucht persönliche Kontakte, direkte Kommunikation und kriminelle Netzwerke, die räumlich nahe beieinander liegen – daher ist es nicht verwunderlich, auch hier auf ein Abstandsgesetz zu stoßen.“
WIE GELDWÄSCHE FUNKTIONIERT
Geldwäsche ist für die Straftäter deshalb von so wesentlicher Bedeutung, da sie dazu dient, die illegal erworbenen Vermögenswerte dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Zu diesem Zweck wird das Schwarzgeld durch eine Reihe möglichst unauffälliger und meist komplexer Transaktionen im Kreis geschickt. Diese Vorgehensweise soll es den Behörden erschweren, die illegale Herkunft der Vermögenswerte zu erkennen. Am Ende dieses Prozesses kann das weißgewaschene Vermögen wieder in den legalen Wirtschaftskreislauf überführt werden. Der Clou ist allerdings, dass Geldwäsche eben nicht ohne ein entsprechendes Netzwerk funktioniert. Dieses Netzwerk enthält verschiedene Stationen, von denen aus Gelder überwiesen werden, wo sie geparkt und weiterverwendet werden können. Zudem benötigt das System auch Unternehmen, die ein legitimes Geschäftsmodell haben. Darüber hinaus spielen auch Steuerberater, Notare und Rechtsanwälte eine Rolle. Nicht selten ohne Kenntnis der kriminellen Anteile der mitunter komplexen Firmenkonstruktionen. Eine beliebte Möglichkeit, um illegales Geld in den legalen Wirtschaftskreislauf zu übersetzen, ist zum Beispiel der Kauf und Verkauf von Immobilien. Ein Krimineller kann etwa eine Immobilie kaufen, die einen Wert von vier Millionen Euro aufweist. Doch er bezahlt für diese Immobilie offiziell nur zwei Millionen und lässt dem Verkäufer die weiteren zwei Millionen in bar und unregistriert zukommen. Danach hält der Kriminelle die Immobilie für einige Jahre und investiert vielleicht sogar in die Renovierung. Der Verkaufswert der Immobilie steigt, sodass er sie nach einiger Zeit legal für 4,5 Millionen Euro am Markt verkaufen kann. Er hat somit einen offiziellen Profit von 2,5 Millionen gemacht, den er nun legal besitzt und versteuert.
KOMPLEXES SYSTEM, VIELE PARAMETER
Ob nun das Geld dafür ursprünglich aus einer legalen Quelle stammt oder ob es sich um Drogengeld handelt, ist nur schwer herauszufinden. Vor allem setzen Verbrecher gerne auf eine Mischung aus Zahlungen aus legalen Quellen und kriminellem Geld. „Geldwäsche ist ein komplexes System, das darauf aufbaut, dass man es nicht entdeckt“, erklärt Getzner. Entsprechend viele Parameter hat sein Team berücksichtigt. Etwa die Bemühungen der Staaten zur Umsetzung von Anti-Geldwäsche-Richtlinien, die gemeinsame Sprache, aber auch kulturelle Nähe. So kamen die Forscher zu einem statistischen Modell, mit dem sich die aus den Niederlanden bekannten Daten bemerkenswert gut abbilden lassen. „Kein statistisches Modell beschreibt die Wirklichkeit perfekt, aber im Rahmen der in der Ökonomie üblichen Unschärfen können wir die bekannten Daten mit wenigen ausgewählten Parametern erstaunlich gut beschreiben“, sagt Getzner. Deshalb lässt sich das Modell auch auf andere Staaten extrapolieren, über die man weniger Information hat als über die Niederlande. So gelangte das Team schließlich zu einer groben Abschätzung über die Geldwäschesummen auf der ganzen Welt, aber auch für Österreich. Das globale Gesamtvolumen an Schwarzgeld haben die Wissenschaftler konservativ auf 2,3 Billionen US-Dollar im Jahr geschätzt. Die Höhe des heimischen kriminellen Geldes beziffert der Forscher mit rund 2,5 Milliarden Dollar. „Beim Geldvolumen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, das einen kriminellen Ursprung direkt im Land hat, scheint Österreich knapp unter dem OECD-Durchschnitt zu liegen. Dafür wird durch Österreich etwas mehr Schwarzgeld durchgeschleust als im OECD-Durchschnitt“, sagt Prof. Getzner.
Aus derartigen statistischen Modellen und den Daten können schlussendlich Behörden Aufschlüsse über unentdeckte Transaktionen und über die Wirksamkeit von Anti-Geldwäsche-Maßnahmen ziehen. Eine wesentliche Rolle, um illegalen Transaktionen auf die Schliche zu kommen, spielen wenig überraschend die Banken.
SEHR VERDÄCHTIG!
Entsprechend wichtig waren für die Analyse sogenannte „verdächtige Transaktionen“, die bei den Instituten aufscheinen. Im Fokus stehen insbesondere Transaktionen, die unter Berücksichtigung der normalen Geschäftstätigkeit des Kunden ungewöhnlich, sehr umfangreich sind oder keinen finanziellen oder rechtmäßigen Zweck haben. Wann Transaktionen als verdächtig eingestuft werden müssen, ist oft erst im Kontext der Zeit erkennbar. Denn die Kriminellen bauen ihre Systeme mitunter langsam auf. Zunächst werden beispielsweise nur kleine Überweisungen getätigt. Alle Dokumente liegen vor, alles scheint seine Richtigkeit zu haben. Dann werden langsam Frequenz und Beträge erhöht, und irgendwann wird die Bank stutzig. Eine bestimmte Transaktion tanzt vielleicht aus der Reihe und muss als verdächtig eingestuft und gemeldet werden. Dann versucht man nachzuvollziehen, welche Zahlungen bislang getätigt wurden. Bei dieser Analyse erweisen sich häufig viele einzelne Transaktionen, die zunächst nicht verdächtig gewirkt haben, doch als auffällig. Selbst dann ist es allerdings nicht ganz einfach, den Kriminellen auf die Spur zu kommen, da Behörden verschiedener Länder aktiv werden müssen. Aufgrund der hohen Summen, die dem Fiskus durch das Phänomen entgehen und natürlich auch, um Verbrechern das Handwerk zu legen, steigt das Engagement vieler Staaten. Entsprechend groß war das Interesse der niederländischen Behörden an den Erkenntnissen der Forscher. Aber auch in Österreich besteht bereits Kontakt zu Finanzministerium und Bundeskriminalamt. Denn was die Analyse zweifelsfrei ergeben hat: Staaten können der Geldwäsche durch strenge Regulatoren und permanente Aufsicht wirksam entgegenwirken. Egal, wie einfallsreich die Verbrecher auch sind.
Autor: Mag. Stephan Strzyzowski
Erstveröffentlichung: die-wirtschaft.at