Microlearning – die Zukunft des Lernens liegt im Kleinen

EISENSTADT. Kurze Lernhäppchen, meist online und mobil verfügbar. Funktioniert Microlearning in der betrieblichen Weiterbildung? Dieser aktuellen Frage nahm sich der Masterstudiengang Human Resource Management und Arbeitsrecht MOEL an der FH Burgenland an.

Teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp

57 Studierende und vier Lehrende forschten mit Fokusgruppen, Umfragen, Experteninterviews und Beobachtung (inklusive Eyetracking). Christoph Stieg, Geschäftsführer von perfact training, hielt die Expert-Keynote, fungierte als Ideengeber und stellte Kontakte zu Unternehmen her. Studiengangs- und Lehrveranstaltungsleiterin Silvia Ettl-Huber: „Es ist schon erstaunlich, wie viel Potenzial Microlearning noch bietet“.

Auch im Job aus Videos lernen

Knapp 97% der Lernenden nutzen Microlearning, bevorzugt von zu Hause aus, meist mit dem Smartphone. Bekannt sind Formen wie jene, sich über das Internet ein Videotutorial anzusehen. Knapp 80% der Microlearning-User können sich vorstellen, diese Form des Lernens auch im betrieblichen Alltag zu nutzen. Doch erst 55% der befragten Unternehmen nutzen diese Form der Personalentwicklung. Es ergibt sich also ein riesiges Potenzial, dem in den kommenden Jahren auch mehr und mehr Angebote folgen werden.

Silvia Ettl-Huber: „Neben voll digitalen Microlearnings wurden auch Micro-Lernformate untersucht, die ortsunabhängig mit Trainer per Telefon bzw. im virtuellen Raum stattfinden. Für diese Formate gilt, dass weniger auf Wissen und mehr auf Können und Anwenden eingegangen wird, was die Probanden sehr positiv bewertet haben.“

Geringe Konzentrationsdauer als Herausforderung

Während digitale Formen des Microlearnings boomen, sind Bücher als Lernunterlagen out. Das zeigte unter anderem eine Fokusgruppendiskussion mit Lehrlingen. Festgestellt wurde, dass es keine wesentlichen demografischen Unterschiede bezugnehmend auf die Akzeptanz von Microlearnings gibt – sowohl jüngere als auch ältere befragte Personen, gleichermaßen Frauen wie Männer, zeigten sich von den Möglichkeiten digitaler Kurztrainings überzeugt und gaben an, diese gern im praktischen Einsatz nutzen zu wollen.

Auch die Aufmerksamkeitsspanne bei Probanden einer Testreihe wurde mittels Eyetracking-Methode überprüft. Dabei zeigte sich, dass die visuelle Aufbereitung der Inhalte wesentlichen Einfluss auf die Aufmerksamkeit hatte. War das Microlearning kurzweilig umgesetzt, enthielt überraschende Botschaften und grafische Signalelemente (z.B. Einblendungen, Diagramme, Animationen), konnte die Aufmerksamkeit perfekt gehalten werden. Gab es hingegen zu lange Phasen des Monologs (> 20-30 Sekunden), ließen sich die Nutzer leicht ablenken. Christoph Stieg: „Dass ein Training von Anfang bis Ende motivierend sein muss, gilt in der analogen sowie in der digitalen Welt gleichermaßen. Aber digital ist die Aufmerksamkeitsspanne ungleich kürzer – darauf ist bei der Konzeption und Umsetzung von Microlearnings ganz besonders zu achten.“

Die Studien wurden in mehreren Unternehmen durchgeführt – darunter Ricoh, Hornbach, Bosch oder Organisationen wie die Landespolizeidirektion Burgenland.

Im Makrokosmos micro-learnen

Rund um den Globus wird das World Wide Web jeden Tag schlauer, das Wissensangebot immer größer: Neben Onlinekursen wie MOOCs (Massive Open Online Courses) oder SPOCs (Small Private Online Courses) verzeichnet das Netz einen enormen Zuwachs an lehrreichen Artikeln, Blogs, Videos, Tutorials, Tools und Plattformen für den professionellen Wissens- und Erfahrungsaustausch. Der kalifornische Microlearning-TOP-LEADER Josh Bersin hat (auch) das Macrolearning „entdeckt“: Während es diesbezüglich darum geht, in einem Kurs, Seminar, Workshop oder einem MOOC von Experten etwas Neues zu lernen, was je nach Programm mehrere Stunden, Tage, Wochen oder sogar Monate dauern kann, steht beim Microlearning der Wunsch nach schnellem Wissen, Support oder kurzfristiger Hilfe im Vordergrund. Gefragt sind Tutorials, Videos, Tools, Artikel oder Tipps – kleine digitale Wissenshäppchen, die man in wenigen Minuten findet und deren Inhalte so gut und verständlich aufgebaut sind, dass man sie auch binnen kürzester Zeit konsumieren und verdauen kann.

Wie man sich das in der Praxis auch vorstellen kann, zeigt das Beispiel der kanadischen Microlearning-Plattform Axonify, die für den amerikanischen Konzern Walmart im Bereich der Logistik ein innovatives Wissensspiel entwickelt hat, um das Risiko für Unfälle beim Be- und Entladen zu verringern sowie die Sicherheitskultur im Unternehmen zu stärken. Das Spiel ist US-weit in mehr als 150 Distributionszentren abrufbar, rund 75.000 Mitarbeiter können sich jederzeit während ihrer Schicht für einige Minuten auf der Axonify-Plattform einloggen und während des Spielens verschiedene Sicherheitsfragen beantworten, auf die das System sofort Feedback gibt.

Hier kommt der Spaß!

Bei den Mitarbeitern kommt das Microlearning mit Spaßfaktor hervorragend an: Durchschnittlich 90% nutzen das Angebot – die Zahl der Unfälle ist seitdem deutlich gesunken. Gleich 55% weniger Sicherheitsvorfälle wurden verzeichnet, und 72% der Kollegen und Mitarbeiter fühlten sich am Arbeitsplatz sicherer.

Das Beispiel zeigt, wie betriebsinterne Plattformen für klar umrissene Projekte oder Probleme innovative Möglichkeiten bieten, schnell und unkompliziert auch in sehr großen Teams und Unternehmen miteinander und voneinander zu lernen.

Und noch ein Beispiel

Wie gut die Aus- und Weiterbildung in Form von digitalen Kurzformaten bei den Mitarbeitern ankommt, zeigt auch die InterContinental Hotel Group (IHG), zu der weltweit mehr als 5.000 Hotels gehören. Die Microlearning-Plattform Grovo hat für die Hotelgruppe kleine, kurzweilige Onboarding-Lerneinheiten produziert, dank derer die Einarbeitungsphasen neuer Mitarbeiter deutlich effektiver gestaltet werden können. Statt fünf Wochen kann das Unternehmen jetzt mit zwei Wochen Einarbeitungszeit kalkulieren – und auf diese Weise viel Zeit und Geld sparen. Ein informatives Video auf der Grovo-Webseite gibt einen guten Einblick in das Microlearning-Projekt. Auch betriebsinterne Schulungen und Trainings mithilfe virtueller Realität und Assistenz sind auf dem Vormarsch und ermöglichen eine zielgenaue und aktuelle Bildung und Weiterbildung der Mitarbeiter.

Summa summarum ist es also eindeutig: Neue Formen des Wissensmanagements und kurzweilige Corporate Learnings in Unternehmen bergen ein großes Zukunftspotenzial – mit der Aussicht, dass das Lernen und Sammeln von neuem Wissen rund um den Job auf jeden Fall Spaß machen kann. Unternehmen sparen mit dem Einsatz cleverer, bedarfsorientiert entwickelter E-Learning-Formate nicht nur viel Zeit und Geld, sondern Mitarbeiter und Teams werden auch motiviert und aktiviert, sich mit neuen Inhalten, Fakten oder Informationen auseinanderzusetzen oder bekanntes Know-how wie zum Beispiel das Wissen über Erste Hilfe zu aktualisieren. Schließlich bieten die kleinen, appetitlichen Wissenshäppchen interessanten Gesprächsstoff, und Führungskräfte wie Mitarbeiter können per Microlearning neue Inhalte, Verfahren oder Methoden gemeinsam und aktiv im Unternehmen erleben.

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Melden Sie sich hier an

Sie sind noch nicht registriert?