Hans Peter Haselsteiner: Erben ist kein Menschenrecht

Hans Peter Haselsteiner zählt zu den erfolgreichsten Unternehmern Österreichs. Und zu den Menschen, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen. Auch wenn ihre Meinung dem Mainstream entgegensteht.

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Tiroler gelten als sehr direkter Menschenschlag, der sich kein Blatt vor den Mund nimmt. Von manchen wird diese Direktheit auch als Bärbeißigkeit ausgelegt. Hans Peter Haselsteiner, Langzeit CEO der STRABAG, der aus dem mittelständischen Kärntner Bauunternehmen ILBAU einen der europaweit führenden Baukonzerne geformt hat, bildet diesbezüglich keine Ausnahme. „Warum habe ich Ihnen eigentlich einen Termin gegeben?“, schießt es zu Beginn des Interviews aus ihm hervor. „Sie wissen ja, dass ich mit Ihrer Branche auf Kriegsfuß stehe.“ Und warum? „Wegen der Qualität“, so HPH, wie er von seinen Mitarbeitern respektvoll genannt wird, und beginnt das Mail mit der Interviewanfrage zu überfliegen. „Ach so, weil Sie aus Spittal sind“, gibt er sich dann selbst die Antwort. In Spittal an der Drau, Oberkärntner Kleinstadt mit 15.413 Einwohnern und Bezirkshauptstadt des zweitgrößten österreichischen Bezirks, nahm die Karriere von HPH ihren Anfang. Für den Ort ist die STRABAG ein Segen, ist sie doch einer der größten Arbeitgeber in der Region.

Als geborener Spittaler kenne ich einige Mitarbeiter der STRABAG. Darunter ist keiner, der über die STRABAG als Arbeitgeber ein schlechtes Wort verliert. Woran liegt das?

Hans Peter Haselsteiner: „Vielleicht daran, dass wir uns immer bemüht haben, ein guter Arbeitgeber zu sein. Wir fördern und befördern unsere Talente und versuchen Ihnen den notwendigen Freiraum zu geben. Zu unserer Grundeinstellung gehört es, dass nicht eine Seite von der Arbeitsbeziehung profitieren soll. Wir sind abhängig von unseren Mitarbeitern. Wenn man sich das vor Augen hält, kommt man rasch zu dieser Einstellung. Bis auf ganz wenige Ausnahmen hat auch das Unternehmen von dieser Einstellung profitiert. Wobei sich die Ausnahmen im Promillebereich bewegen. Es freut mich, wenn dieses Bemühen um die Mitarbeiter auch von außen wahrgenommen wird.

Was waren in Ihrer langen Zeit bei der STRABAG die schwierigsten, was die schönsten Momente?

„Wenn etwas gelungen ist, freut man sich immer. Zu den schwierigsten Aufgaben zählte sicher die Integration der Kulturen beim Zusammenschluss von STRABAG und ILBAU. Das haben wir gut bewältigt. Die Markenausrollung ist uns hervorragend gelungen. Es hat sich als goldrichtig erwiesen, das alte in schwarz, rot und weiß gehaltene Logo mit dem Schriftzug der ILBAU zu verwenden und nur den Namen STRABAG einzubauen. Wir haben das ohne viel aufhebens gemacht. Das war ein wichtiger psychologischer Trick. Die einen haben sich im Schriftzug und in den Farben wiedergefunden, die anderen im Namen.

Aus meiner Sicht sind wir noch nicht ausreichend diversifiziert. Der Dienstleistungsbereich macht zwar etwas mehr als eine Milliarde Umsatz, da ist aber noch etwas drinnen. In Russland sind wir bisher gescheitert, das Land ist bislang nur ein Randmarkt geblieben.

Als im Dezember 1997 die Aktie der Bau Holding (börsennotierte Mutter der ILBAU) „wegen einer wichtigen Mitteilung“ vom Handel ausgesetzt wurde, brodelte die mediale Gerüchteküche. Die Tageszeitung „Die Presse“ wusste von einem Einstieg des französischen Bauriesen Bouygues bei der Bau Holding zu berichten, andere Medien wiederum vermuteten einen Einstieg der deutschen STRABAG bei der Bau Holding. Dass es am Ende umgekehrt kam, und die Bau Holding vorerst 49,9 Prozent der deutlich größeren deutschen STRABAG übernahm, war ein Paukenschlag, der auch weit jenseits der österreichischen Grenzen wahrgenommen wurde.

Sie sind für das Liberale Forum von 1994 bis 1998 im Parlament gesessen. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit dieser Zeit? Hat sich der politische Diskurs seit damals verändert?

Nein, er hat sich im Grunde nicht verändert. Er ist gleich geblieben, leider auch was die Bedeutungslosigkeit des Parlaments betrifft. Ob die parlamentarischen Demokratien durch ihre mangelnde Effizienz gefährdet sind, ist eine Debatte wert. Der Begriff „illiberale Demokratie“, wie er etwa für Ungarn unter Orban verwendet wird, ist für mich ein Unwort. Eine Demokratie kann nicht illiberal sein. Was die Erinnerungen betrifft, so sind diese nicht negativ. Ich habe in dieser Zeit viel gelernt.

In einem Interview mit der Südtiroler Online-Plattform barfuss.it haben Sie gemeint, dass es eine österreichische Spezialität ist, den politischen Mitbewerber grundsätzlich zu verachten und seine Ideen nicht zu diskutieren, sondern sie grundsätzlich als Blödsinn abzutun. Hat sich das mittlerweile geändert?

Nein. Es gibt nach wie vor keinen konstruktiven Diskurs, man versucht nur das negative Herauszustreichen, um den anderen niederzumachen. Man wacht eifersüchtig darüber, die eigene Themenhoheit zu bewahren. Diesbezüglich hat sich wenig geändert. Das ist das wirklich Frustrierende an der österreichischen Parteipolitik.

Sie geben viel Geld für soziale Projekte aus, im Inland und auch im Ausland. Warum tun Sie das?

Weil wir das in der Privatstiftung so festgelegt haben. 51% der Erträge fließen in gemeinnützige Projekte, in soziale oder kulturelle Projekte. Wir haben das in der Familie vor Jahren so festgelegt, weil wir keine Stiftung wollten, deren Erträge nur der Familie zu Gute kommen. Ich bin stolz darauf, dass auch meine Kinder diesem Vorschlag zugestimmt haben. Für sie ist es ja eigentlich ein Erbverzicht. Sie haben damit ein Zeichen gesetzt, dass Erben kein Menschenrecht ist.

In einem Interview mit dem Standard haben Sie die Einführung eines Grundeinkommens befürwortet. Wo sehen Sie die Vorteile für eine Gesellschaft?

Das Grundeinkommen wird eine Notwendigkeit werden, wenn unser Sozialsystem nicht mehr effizient genug ist und erodiert. Angesichts von Entwicklungen wie der Digitalisierung, um nur ein Schlagwort zu nennen, wird es zu einem großen Systemumbruch kommen. Die Sozialsysteme werden nicht mehr treffsicher genug sein. Wir brauchen Instrumente, die viel präziser wirken. Das Gießkannenprinzip halte ich für eine Fehlprogrammierung.

Was wäre notwendig?

Die Umverteilung, wie wir sie derzeit betreiben, hilft den sozial Schwächeren nicht. Wir müssten sie viel mehr unterstützen und ihnen die Möglichkeit geben, aufzuschließen. Wir müssen Instrumente finden, die den Menschen helfen, Eigenverantwortung zu übernehmen und ihre Eigenständigkeit fördern. Tun wir das nicht, werden wir irgendwann wirklich im „Tittytainment“1 landen. Das Grundeinkommen sollte ein Existenzminimum gewährleisten, das mit zunehmenden Erwerbseinkommen abschmilzt. Es könnte ein Ersatz für das derzeitige Arbeitslosengeld sein. Wir müssen lernen, dass Erwerbseinkommen und soziale Unterstützung einander nicht ausschließen müssen.

Wie lässt sich ein solches Grundeinkommen finanzieren?

Das können Experten sicher durchrechnen. Derzeit gibt es ja kein System, dass vergleichbar wäre. Allerdings würden wir uns auf alle Fälle in der Sozialbürokratie viel Geld ersparen.

Im Grunde geht es beim Grundeinkommen ja darum, Menschen vor der sozialen Not zu bewahren. Heute ist es ja ein gesellschaftlicher Makel, sozial bedürftig zu sein, für die Betroffenen ist es eine Erniedrigung, eine Schande. Dieser Makel würde wegfallen, weil man nicht mehr erkennen würde, wer damit behaftet ist. Wenn das Thema politisch jetzt nicht debattiert wird, kommt es ganz sicher auf die nächste Generation zu.

In dem Interview haben Sie auch gesagt, dass Sie die „Verarmung des Mittelstandes für die größte Gefahr“ halten. Warum verarmt der Mittelstand und worin sehen Sie die Gefahr?

Bis vor einiger Zeit konnte man von seinem Arbeitseinkommen ganz gut leben, konnte davon Rücklagen bilden und so einen – wenn auch bescheidenen – Vermögensaufbau finanzieren. Das ist heute nicht mehr der Fall, unsere Einkommensverteilung hat sich verschoben. Der Mittelstand ist sehr viel kleiner geworden – ich sehe das vor allem auch in Italien. Während die Einkommen stagnieren, sind die Preise im Verhältnis dazu deutlich angestiegen. Für den Häuslbauer sind die Kosten extrem angestiegen. Es ist nicht mehr so leicht wie vor 30 oder 40 Jahren, seine Ziele zu erreichen. Wenn der Mittelstand wegbricht, geht das Rückgrat der Demokratie verloren. Es bilden sich neue, andere Abhängigkeiten heraus, die Menschen sind dann auf ein staatliches Verteilungssystem angewiesen. Die Unabhängigkeit des Individuums geht verloren – für einen liberalen Menschen wie für mich ist das der falsche Weg.

Das Grundeinkommen wird eine Notwendigkeit werden, wenn unser Sozialsystem nicht mehr effizient genug ist und erodiert … Wir brauchen Instrumente, die präziser wirken.

HANS PETER HASELSTEINER

Welche Periode in der österreichischen Geschichte würden Sie als jene sehen, in der unser Land bzw. unsere Gesellschaft den größten Sprung nach vorne gemacht haben?

Gesellschaftpolitisch waren das sicher die Kreisky-Jahre, wirtschaftspolitisch waren es die Jahre davor unter Bundeskanzler Klaus. Damals hatte der Staat noch keine Schulden, ein Zustand, den man sich heute kaum mehr vorstellen kann. Nach den Aufbaujahren etablierte sich ein gewisser Wohlstand. Die Verteilung des Wohlstandes in der Ära Kreisky wurde dann zu einem hohen Preis erkauft, der sich in der steigenden Staatsverschuldung niederschlug. Bis in die 80 bzw. 90er Jahre konnte man die Bedürfnisse befriedigen, zumindest was die Verteilungsgerechtigkeit betroffen hat. Mit dem Aufkommen der New Economy ist dann aber alles aus dem Ruder gelaufen. Die Profiteure wurden immer weniger. Eine Entwicklung, die uns letztendlich auch die Trumps und Orbans dieser Welt beschert hat. Die Massen wurden zurückgelassen und haben zu wenig vom allgemeinen Aufschwung profitiert. Das hat sich gerächt. Man hat zu lange zugeschaut und das Primat der Wirtschaft akzeptiert.

Was sind für Sie die größten Herausforderungen, vor denen die junge Generation steht?

Das Wichtigste ist sicher die Absicherung Europas als politisches Gebilde. Wir müssen verhindern, dass Europa lediglich zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum degeneriert. Die Absicherung Europas ist der einzige Schutz vor Politikern wie Orban oder anderen wildgewordenen Lokalheroen. Auch die Abschiebung von Lehrlingen mit dem Argument, dass uns das vor der Überfremdung schützt, ist absurd. Europa, Europa und noch einmal Europa, das ist aus meiner Sicht das wichtigste Zukunftsthema. Es gibt derzeit eine Menge Spaltpilze und so viele Richtungen, die antieuropäisch sind. Wenn Europa bestehen will, müssen wir Europa wieder in die Köpfe der Menschen bringen und ihnen zeigen, warum es sich auszahlt, für ein vereintes Europa einzutreten.

Was bedeutet für Sie persönlich Erfolg und was Glück?

Erfolg ist etwas, was ich hatte, und etwas, das mir heute noch ein bisschen nützlich ist. Glück sind für mich meine zwei zauberhaften Enkelkinder.

Die Absicherung Europas ist der einzige Schutz vor Politikern wie Orbán oder anderen wild gewordenen Lokalheroen.

HANS PETER HASELSTEINER

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